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Marion Dönhoff: Um der Ehre willen: Erinnerungen an die Freunde des 20. Juni

Um der Ehre willen: Erinnerungen an die Freunde des 20. Juni

von Marion Dönhoff
Verlag: Goldmann Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-442-72009-5

Preis: 4,17 Euro bei Amazon.de [Stand: 26. Dezember 2024]
Das für mich eindrucksvollste Buch über den deutschen Widerstand gegen Hitler - wie auch über die Güründe seines Scheiterns - stellen die sehr persönlichen Erinnerungen dar, die Marion Gräfin Dönhoff in diesem Buch vorgelegt hat. Sie, die selber dem Widerstand angehörte und durch unwahrscheinliches Glück unentdeckt blieb, schildert in sieben sehr persönlichen Portraits ihre Freunde und deren Motive, das Attentat gegen Hitler zu wagen: Albrecht Graf Bernstoff, Axel Freiherr von dem Bussche, Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Helmuth James Graf von Moltke, Peter Graf Yorck von Wartenburg, ihren Cousin Heinrich Graf Lehndorff sowie Adam von Trott zu Solz. Deutlich wird dabei der ungeheure Wagemut und die persönliche Tapferkeit jedes Einzelnen, der aus Abscheu vor den Verbrechen dieses Regimes zu dem Entschluss führte, im Kampf gegen Hitler das eigene Leben - unter Gefahr auch für die Familie zu wagen. "Nie wieder ist bei uns so existentiell gelebt worden wie damals. So bewusst und so lange Zeit auf dem schmalen Grat zwischen Tod und Leben. Für niemanden ist heute das Ausmaß des Risikos und die Dimension der Gefahr vorstellbar, in der jene jahrelang gelebt haben" - so die 2002 verstorbene Autorin.

Die fünfzig Seiten zur Vorgeschichte der Verschwörung bieten - so urteilt Hasso Freiherr von Uslar Gleichen - wohl die beste Kurzfassung von Verlauf, Motiven und Problemen der Versuche, Hitler zu beseitigen. Zwei Aspekte werden von Marion Gräfin Dönhoff besonders deutlich herausgearbeitet: das vergebliche Bemühen der deutschen Opposition, im Ausland Verständnis und Unterstützung zu finden. Außerdem kritisiert sie die Versuche der Westalliierten, die Berichtersattung über den deutschen Widerstand - selbst noch in den ersten Nachkreigsjahren - zu unterdrücken. So war ihr in Hamburg im Jahre 1945 erschienener Privatdruck "In Memoriam: Den Freunden des 20. Juli" (die Grundlage des vorliegenden, um die Geschichte des Widerstandes erweiterten Werkes) die erste Würdigung des deutschen Widerstandes, der in Deutschland überhaupt erschienen ist. Ein Verdienst dieses Buches ist es, dass Marion Gräfin Dönhoff aufzeigt, wie schwierig der Widerstand in einer totalitären Diktat gewesen ist. Niemand, der nicht das Leben in einem totalitären Regime erlebt habe, könne sich vorstellen, welcher Nervenanspannung die aktiven Verschwörer - die Autorin gehört dazu - über Jahre hinaus ausgesetzt waren. "Nicht nur die schwer lastende Verantwortung für Gelingen oder Misslingen..., auch die Sorge, was ihrer Familie zustoßen werde, wenn das Unternehmen vorzeitig entdeckt würde, war eine schwere Belastung. Es war wirklich der "Aufstand des Gewissens.""
An anderer Stelle erwähnt sie nochmals den psychischen Druck, der auf den Verschwörern lastete: Himmler hatte den Familien der Attentäter mit "absoluter Sippenhaft" gedroht. Deutlich wird dies etwa in der Würdigung ihres Vetters und Spielgefährten Heini Lehndorff. Dieses Kapitel gehört für mich zu den ergreifendsten des ganzen Buches. Er stellte sich aus Sorge um seine Familie seinen Verfolgern - ihm war zweimal vor der Gestapo die Flucht gelungen. Trotz seiner Verhaftung wurden seine beiden kleinen Kinder von der Gestapo abtransportiert und verschleppt; erst nach Kriegsende konnten sie durch unwahrscheinlichen Zufall zusammengeführt werden.

Wenn man dies liest, so wird verständlich, dass jeder der Beteiligten nur das Allernotwendigste wissen durfte: wie leicht konnten von einem, der gefangen und gefoltert wurde, die Namen der anderen erpresst werden! Marion Gräfin Dönhoff führte eine rege Korrespondenz mit dem deutschen Botschafter in Italien, Ulrich von Hassell, - doch beiden war nicht bewusst, das der jeweils andere zu der Widerstandsgruppe gegen Hitler gehörte. Weiterhin wird in diesem Buch deutlich vermittelt, dass es nach Meinung von Gräfin Dönhoff Unsinn ist, die am Attentat gegen Hitler Beteiligten in soziale Gruppen einzuteilen. "Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Opposition gegen Hitler ja keine Revolte im Sinne einer politischen oder sozialen Revolution war. Es war vielmehr der Aufstand hoher und höchster Staatsdiener sowie angesehener Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die aus moralischen Gründen den Verbrechern in dern Arm zu fallen versuchten."

Fazit: Deutsche jeder Couleur: Konservative, Sozialisten, hohe Militärs, führende Zivilisten haben jahrelang unter ständiger Lebensgefahr gegen alle Widrigkeiten des Schicksals und des totalitären Staates daran gearbeiet, den Diktator zu stürzen. Nicht als Revolutionäre, so die Autorin, die eine ihnen gefällige, angeblich die Menschheit beglückende neue Ordnung errichten wollten, sondern weil sie nicht länger mit ansehen konnten, wie Verbrecher ihr Land und die Nachbarländer zerstörten, das eigene Volk korrumpierten, alle positiven Eigenschaften pervertierten und die Reinhaltung der Rasse als höchstes ethisches ziel postulierten. In einem Satz hat es Peter Yorck vor dem Volksgerichtshof im Angesicht des tobenen Richters Roland Freisler formuliert: "Die entscheidende Tatsache ist der totalitäre Anspruch des Staates an den Bürger, der gewzungen wird, seine moralischen und religiösen Verpflichtungen gengenüber Gott preiszugeben" - so zitiert ihn Marion Gräfin Dönhoff.
Fazit
Wer die Portraits der Freunde Marion Gräfin Dönhoffs liest, dem wird anhand der Schilderung dieser bewegenden Einzelschicksale bewusst, wie groß der Verlust war, den Deutschland durch das Scheitern des Attentates auf Hitler erlitten hat; die von Marion Gräfin Dönhoff portraitierten Persönlichkeiten, die das "bessere" Deutschland verkörperten, fehlten nicht nur der Gräfin - sie fehlten ganz Deutschland nach 1945. Diese Tatsache verdeutlicht zu haben, darin liegt der Verdienst dieses sehr eindrucksvollen Buches.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 02. März 2003

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