In seinem Debüt-Roman erzählt Eric-Emmanuel Schmitt die Geschichte eines
Mannes, der im Frankreich des 18. Jahrhunderts das Gesprächsthema der feinen
Pariser Gesellschaft war. Gaspard Languenhaert, ein außergewöhnlicher
Philosoph, der sich selbst als Ursprung allen Lebens sah, eröffnete die Schule
der Egoisten. Nach seinen Ansichten existiere alles auf dieser Welt in seiner
Vorstellung, und schlicht aus diesem Grunde sei er der Mittelpunkt und Ursprung
allen Lebens.
Der Leser begegnet Gaspard Languenheart nicht direkt, sondern lernt langsam die
Lehren des "großen" und gänzlich unbekannten Philosophen durch die
Recherche eines Philosophie-Doktoranden der heutigen Zeit kennen. Dieser
Doktorand, der gleichzeitig unser Protagonist ist, entschließt sich zu einem
Moment der Ruhe während seiner Studien, um ein Buch "nur zum Spaß"
zu lesen. Er zieht wahllos ein Exemplar aus dem Register und schlägt es auf.
Die aufgeschlagene Seite 96 des 'Dictionaire patriotique' zeigt einen Eintrag
über den Egoismus als philosophischen Begriff, in dem der Name Gaspard
Languenheart und die Erwähnung seiner Schule der Egoisten steht.
Aus Neugier entschließt sich der Doktorand, der soeben gefundenen Spur weiter
zu folgen und erkennt, je tiefer und gründlicher seine Nachforschungen werden,
mehr und mehr Faszinierendes über Gaspard und schließlich über sich selbst.
Dabei drehen sich die Recherchen immer wieder um folgende philosophische
Grundaussage, deren Kontext schon immer die Gemüter erhitzte: "...ob ich
mich nun bis zum Himmel emporschwinge oder in die allerunterirdischsten Gegenden
hinabsteige, so gehe ich doch nie aus mir selbst heraus, und nie nehme ich etwas
anderes wahr als meinen eigenen Gedanken." Wahrlich, für die Philosophie
ein großer Schritt des Denkens - beginnend bei Descartes, verlaufend über Kant
und seine methodische Untermauerung dieser Ansicht in der "Kopernikanischen
Wende" und schließlich zugespitzt im transzendentalen Idealismus Fichtes.
Eric-Emmanuel Schmitt gelingt es, den Leser bereits auf den ersten Seiten für
das Mysterium des Gaspard Languenheart und dessen philosophische Ansichten zu
gewinnen. In einer für Schmitt typischen Art zieht er seine Leser mit einer
Leichtigkeit in die Geschichte hinein, so daß dieser schon nach kurzer Zeit
gewillt sind, selbst zu recherchieren, um zu erfahren, wer dieser Gaspard
Languenheart wirklich war, und ob er überhaupt existierte. Schließlich findet
sich der Doktorand selbst in der Rolle des Biographen von Languenheart wieder,
was darauf schließen läßt, daß auch die Recherchen des Doktoranden über das
Objekt seines Interesses schon vorher immer wieder nur anhand sekundärer
Aufzeichnungen anderer verliefen. In jedem von uns - einschließlich des Lesers
- scheint damit das Potential und der der Mythos "Languenheart" auf,
die Fähigkeit, als Schöpfer der eigenen Welt dazustehen und überzeugt zu
sein, durch Selbstauslöschung auch die ganze Welt verschwinden zu lassen:
"Ich halte die Macht in meinen Händen. Das Nichts! Die Zerstörung! Die
Lösung! Das Ende!"
Leider schafft es Schmitt nicht, diese Dynamik über die gesamte Länge seines
Buches zu strecken. Ihm geht vielmehr, je weiter die Geschichte des Doktoranden
fortschreitet, die erzählerische Luft aus, so daß es den Anschein hat, als
rette sich Schmitt in das Ende seines Romans hinein. Am Ende - dennoch - ein
glänzender Höhepunkt: Languenheart (oder der Doktorand in seiner Erzählung)
schreitet zur Tat, zur Konsequenz aus seiner Überzeugung: "Ich werde wie
ein Nichts sein, aber ich werde alles sein."
Die Schule der Egoisten ist für jeden, der sich für den egoistischen Gedanken
in der Philosophie interessiert, für die Selbstschöpfung der Welt als
Modalität des eigenen Vorstellungsvermögens, wärmstens zu empfehlen, vor
allem weil der Autor die Bedeutung eines solchen Gedankens glänzend und
zugleich tragisch zu beschreiben vermag: Bringe ich mich um, lösche ich damit
mich selbst aus und die Welt besteht fort oder lösche ich damit zugleich die
Welt aus, die ja nur da ist, weil ich in sie hineingeboren wurde und andernfalls
niemals denkbar war, da ja auch ich, der Denkende, nicht war. Möge jeder Leser
hierauf nach vollendeter Lektüre seine eigene Entscheidung treffen. Aber es sei
darauf hingewiesen: Mit "Richtig" und "Falsch" wird unsere
Antwort niemals bewertet werden können.
Fazit
Dieses Buch kann zum positiven Verhängnis für das eigene Denken werden.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 13. November 2007 2007-11-13 09:29:19