Im Sommer 1982 zehrt Osnabrück noch vom Ruf der Stadt als ehemalige
Karmann-Schmiede. Die Zeit der SPD-Regierung unter Helmut Schmidt geht zu Ende.
Regenmacher, Jutta, Eduard und Guido nehmen im Abitur-Jahr gemeinsam an Dr.
Ecksteins Rhetorik-Kurs teil. Sie sind eine Generation, die in Frieden und
Wohlstand aufwuchs und deren Väter noch Kriegserlebnisse zu erzählen oder zu
verschweigen haben. Eduard Manthey, der aus einfachen Verhältnissen stammt,
profitiert von der Kampagne "Schickt Eure Kinder länger auf bessere
Schulen". Allein unter Mittelschichtkindern absolviert Eduard das Gymnasium
und erhält Zugang zu einer ihm völlig neuen Welt. Angeregt durch Ecksteins
Vorbild strebt Eduard nach Höherem. "Dünne Bücher sind
Zeitverschwendung" sagt Eckstein und empfiehlt Eduard gleich den Griff zu
dicken Schwarten. Auch während Eduards Studium in Köln wird Eckstein später
seinen ehemaligen Schüler weiter fördern und unterstützen. Ecksteins
persönlicher Lebenswandel ist dagegen weniger vorbildlich. Er bedient sich aus
dem Pool hübscher Schülerinnen skrupellos mit wechselnden Lustobjekten für
sein "unregelmäßiges Liebesleben". Dass Eckstein Eduard als
Konkurrenten um die Mitschülerin Daniela aussticht, akzeptiert der Jüngere nur
widerwillig. Eine komplizierte Beziehung zu Eckstein zwischen Eifersucht und
Bewunderung wird Eduards weiteres Leben prägen.
Otto Schattauer ist kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs ein so genannter
30-Hektar-Bauer in Kleinbärengrund, einem 350-Einwohner-Kaff in Masuren. Die
Familie gehört zur bekennenden Kirche, Tochter Marie wird nach strengen,
pietistischen Werten erzogen. Im Sommer 1937 kommen zwei Besucher ins Dorf,
Hermann Eckstein und sein Onkel. Hermann verliebt sich in die 18-jährige Marie.
Als Hermanns Frau gelangt die behütet aufgewachsenen Bauerntochter nach
Osnabrück in den bürgerlichen Haushalt der Ecksteins. Die Schwiegereltern
betrachten Marie wie ein exotisches Lebewesen: Sie spricht Masurisch, sie kocht,
werkelt und zeigt außergewöhnliches Talent für Küche und Garten.
Was der Studienrat Dr. Hermann Gustav Eckstein der Gegenwart mit der inzwischen
greisen Marie Eckstein, geb. Schattauer, zu tun hat und was ihr Mann Hermann
Eckstein damals in Russischer Kriegsgefangenschaft erlebte, verknüpft Arno
Orzessek zu einer üppigen Familiensaga.
Fazit
Der Autor hat die Handlungsstränge geschickt miteinander verwoben und kann
seine Leser bis zum Schluss fesseln. Lokale und historische Details aus der
Osnabrücker Gegend sind sorgfältig recherchiert, jeder Charakter in seiner
Epoche differenziert gezeichnet. Eduards Abiturjahrgang stellt Orzessek sehr
authentisch dar und lehnt sich vermutlich an eigene Jugenderlebnisse in
Osnabrück an. Auch Hermann Ecksteins Kriegs-Erlebnisse wirken, als hätte der
Autor sie selbst erlebt. Mit dem persönlichem Auftauchen des Ex-Kanzlers Helmut
Kohl gleitet der aktuelle Bezug leicht ins Satirische ab. Orzesseks Sprache
wirkt ausschweifend und oft überladen, seine erotische Szenen für einen Autor
seines Alters zu pathetisch.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 11. September 2007 2007-09-11 13:01:18