Hermanus in Südafrika kommt literarisch zu unerwarteten Ehren: Nach Zakes Mdas
"Walrufer" spielt nun Lagers "Mein Sommer als Wal" in der
Nähe der südafrikanischen Kleinstadt, die für die regelmäßigen Besuche von
Walen vor ihrer Küste weltbekannt ist. Der Berliner Matthias ist wegen
Diebstahl zu sozialer Arbeit verurteilt worden. Eine deutsche Hilfsorganisation
hat ihn nach Sommerdal bei Hermanus vermittelt, einem Aussteiger-Projekt, das
Behinderte betreut. Die Organisation finanziert Matthias den Flug. In Sommerdal
trifft Matthias/Berlin auf Zola/Südafrika. Die beiden Jugendlichen sind
voneinander angezogen und bleiben sich doch fremd. In der Lebensgemeinschaft aus
Behinderten und ihren Betreuern herrscht ein babylonisches Sprachengewirr aus
Africans, Deutsch, Französisch und Xhosa. Die Sprache der Behinderten wirkt
für Neulinge anfangs wie eine weitere Fremdsprache.
Am Strand und bei seinen Besuchen in den Townships der schwarzen Einwohner
trifft Matthias die unterschiedlichsten Menschen. Matthias unterhält sich gern
und diskutiert angeregt. Doch er stellt die falschen Fragen, bleibt stets an der
Oberfläche. Er scheint nicht zu verstehen, was er sieht. Am Ende seines
Arbeitseinsatzes möchte Matthias Zola mit zurück nach Berlin nehmen. Doch
Matthias, der Traumtänzer, hat sich keine Gedanken über Tickets und Visa
gemacht. Auch dass Zola schon schwanger war, als er sie kennenlernte, verdrängt
er lieber.
Fazit
Lagers flotte Dialoge im Stil eines Hörspiels wirken authentisch, stellenweise
sehr drastisch und bleiben doch rätselhaft. Die Leser erleben aus Matthias
Perspektive eine ihnen fremde Oberfläche, über die Lebensbedingungen der
Südafrikaner aller Hautfarben und das Verhältnis der Völker untereinander
erfahren sie nur wenig. Gern hätte ich etwas mehr über Matthias Vorgeschichte
und die einzelnen Personen gelesen, besonders über das Schicksal der in
Sommerdal betreuten Behinderten. Lagers Roman wirkt auf mich wie ein kodierter
Text für Insider, die schon vorher wissen, welche Bilder der Autor sie
assoziieren und interpretieren lassen möchte.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 26. Juni 2007 2007-06-26 14:30:51