Kann man aus einem Buch lernen, eine treffende Kritik zu schreiben? Porombkas
Einstieg mit dem Negativbeispiel einer kurzen Leserrezension lässt eine lange
Do-Liste und eine noch längere Don’t-Liste erwarten. Doch zurück zum
Anfang, den Bleistift gespitzt, so war es nicht gemeint. Der Juniorprofessor
für Kreatives Schreiben schärft zwar den Blick seiner Leser für unbewusst
übernommene Leerformeln anderer Rezensenten. Als roter Faden jedoch zieht sich
durch sein Übungsbuch die Aufforderung: Lesen, Beobachten, Kritiken lesen,
Beispiele sammeln, Notizen machen - und Üben! Ohne die geradezu manische
Beschäftigung mit dem Stoff, ohne die kontinuierliche Beobachtung des
Literaturmakts kann sich der Autor keine Kritikertätigkeit vorstellen. Mit
Porombkas kreativen Fingerübungen lernen Studierende und interessierte Laien
zunächst an Texten etablierter Kritikerkollegen Texte zu kürzen, zu
überarbeiten, die Textbausteine neu zu Lob oder Verriss umzuformulieren und
schließlich selbst Kritiken zu schreiben.
Voraussetzung für das Schreiben von Kritiken ist nach Porombka die Fähigkeit
des Autors, mit dem Blick eines Ethnologen oder dem einer Webcam zu beobachten
und zu protokollieren. Kritiker sollten Bilder und Szenen eines Textes in einen
neuen Zusammenhang setzen können und sichtbar machen, was vorher nicht zu
sehen war. Von Annett Gröschner hat Porombka die Vorstellung übernommen, ein
gelungener Text müsse leuchten, nachdem er durch seinen Kritiker in einem
bestimmten Licht betrachtet und darstellt wurde. Grundlage einer gelungenen
Kritik seien Beobachten, Zusammenfassen, Kontextualisieren und Symptomatisieren.
Poromba erläutert an E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Vetters Eckfenster"
wie Vetter beobachtet, beschreibt und seine Beobachtungen in Zusammenhang mit
aktuellen Ereignissen setzt - er kontextualisiert und symptomatisiert. Der
Autor setzt sich sehr ausführlich mit dem Wahrnehmungsprozess auseinander und
empfiehlt u. a. das Zeichnen eines Storyboards als Vorübung. Schließlich
erläutert Porombka den Einstieg in den eigenen Text, Erzählstil, Argumentation
und Urteil. Der Autor spart nicht mit Kritik an der Kritik, an der
Selbstinszenierung von Kritikern und am Kritiker als Fernseh-Entertainer.
Selbstkritik an seinen eigenen Vorschlägen vermittelt er mit einem erfreulichen
Maß an Humor.
Fazit
Porombka fördert das Sehen und Wahrnehmen seiner Leser, gibt zahlreiche
Denkanstöße und empfiehlt in einem umfangreichen kommentierten
Literaturverzeichnis weitere beispielhafte Texte. Sein für den Seminarbetrieb
gedachtes Übungsbuch bietet keine Patentrezepte, sondern es erweitert die
Perspektive seiner Zielgruppe, indem es zu spielerischem Umgang mit Passagen
beispielhafter Kritiken und zum Formulieren unterschiedlichster eigener Texte
anregt. Studierende, Berufsanfänger und auch Hobby-Rezensenten finden in
Porombkas Werkzeugkasten für zukünftige Kritiker eine Fülle von Anregungen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 22. Juni 2007 2007-06-22 09:24:13