Der 14-jährige David Ross wird 1942 allein nach Theresienstadt deportiert. Er
stammt ursprünglich aus dem Rheinland und hatte zuvor mit seiner Mutter im
Ghetto von Riga gelebt. Die ehemalige Garnisonsstadt Theresienstadt, heute
Terezin, wurde während des Nationalsozialismus offiziell als jüdisches Ghetto
bezeichnet, tatsächlich war sie als Sammel- und Durchgangslager zum späteren
Transport in Konzentrationslager für Juden aus Böhmen und Mähren geplant. Der
Ort sollte äußerlich den Eindruck einer normalen Stadt machen. Wie alle
anderen arbeitsfähigen Bewohner arbeitet auch David, zunächst für einen
Arzt, den er auf dem Transport kennen lernte, später wird er für die Kaserne
der SS-Mannschaft eingeteilt. Schon bald erkennt David, in welchem Ausmaß die
durch Hunger und Krankheiten geschwächten Bewohner der Willkür ihrer Bewacher
ausgesetzt sind. David betreut in seiner Freizeit hochbetagte Kriegsteilnehmer
des ersten Weltkriegs, denen man Heimverträge als Altersversorgung verkauft
hatte und die nun in ungeheizten Dachböden zusammengepfercht sind. Durch seine
Freundschaft zu Vera, die in Theresienstadt jüngere Kinder betreut, lernt
David die Lebensbedingungen der 15 000 internierten Kinder kennen. Bei seiner
Arbeit in der SS-Kaserne erfährt David manches Mal frühzeitig von geplanten
Transporten und kann unter Lebensgefahr einzelne Menschen vor der Dportation in
ein Konzentrationslager retten.
David ist ein hilfsbereiter Typ, der sofort zupackt, wenn Alte oder Kinder Hilfe
benötigen. Durch seine zahlreichen Kontakte erfährt er, wie die Einwohner
Theresienstadts leben, die zu jung oder zu alt zum Arbeiten sind. Sehr
anschaulich erleben die Leser aus Davids Sicht den Besuch einer internationalen
Rotkreuz-Kommission, die das Lager besucht und deren Migliedern von den
SS-Bewachern ein normales Leben in einer jüdischen Mustersiedlung vorgegaukelt
wird. Dass die Transporte tausender arbeitsfähiger Männer zu angeblichen
Arbeitseinsätzen direkt im Vernichtungslager enden, ahnen damals nur wenige
Bewohner Theresienstadts. David und Vera erleben schließlich die Befreiung des
Ghettos durch russsische Truppen und die persönliche Chance eines
Neuanfangs.
"Im Vorhof der Hölle" ist der unabhängig zu lesende Folgeband zu
Ross "... aber Steine reden nicht".
Fazit
Carlo Ross stellt in seinen Kindheitserinnerungen die Figur des David als über
sein Alter hinaus reif, selbstlos und ohne Schwächen dar. Durch die Kunstfigur
David bekommen Ross’ Leser Zugang zu den unterschiedlichsten
Bevölkerungsschichten des Ghettos Theresienstadt, den Kriegsveteranen, den
Kindern und auch zur kleinen Gruppe dänischer Juden. Sehr schlüssig stellt
Ross dar, wie es den Nationalsozialisten gelang, die Weltöffentlichkeit so
lange über die Vernichtung der Juden zu täuschen. Ross erweckt in seinem
Jugendbuch die Ereignisse in den historischen Mauern Terezins wieder zum Leben
und setzt den dort Internierten ein würdiges Denkmal.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 21. Juni 2007 2007-06-21 10:32:16