Dieter Wellershoff, Jahrgang 1925, arbeitete jahrelang als Lektor, bevor er zu
schreiben begann. Er bekam für sein literarisches Werk zu Recht zahlreiche
Auszeichnungen, umso enttäuschender finde ich die vorliegenden Erzählungen.
Die längste, eben "das normale Leben", umfasst 2 der 4 CDs und
erzählt von den 2 Wochen Urlaub, die der Protagonist, ein 74-jähriger
Schriftsteller, in seinem Apartment in Ahrenshoop verbringt. Er hat gerade einen
Herzinfarkt hinter sich, und will sich von dem Krankenhausaufenthalt und den
vorhergehenden Strapazen einer Lesereise erholen. Ihn erwartet ein Brief von
seinem letzten festen Verhältnis, sie hatte ihn vor 2 Jahren wegen eines
jüngeren Mannes, jünger als sie (!), verlassen. In dem Brief teilt sie ihm
mit, dass dieser Mann gestorben ist. Er versucht sie telefonisch zu erreichen,
und im Laufe dieser Versuche ist es für ihn völlig klar, dass sie zu ihm
zurückkehren wird. Aber sie bereitet ihm eine grosse Überraschung...
In der Geschichte "Das Verschwinden" geht es um eine junge Dichterin,
sie hat gerade ihren 2. Lyrikband herausgebracht, die auf einem Empfang einen
gutaussehenden "Prominenten" trifft, der zu ihrer Überraschung in
einem Brief um Ihre Bekanntschaft bittet. Aber er kommt zu dem ersten Treffen
mit seiner Ehefrau...
Fazit
Die Geschichte "Das normale Leben" finde ich nachgerade unerträglich.
Der 74-jährige Schriftsteller ist derart von sich überzeugt, er hält sich
für einen unwiderstehlichen Mann, der jederzeit jede Frau erobern kann, die er
möchte. Er ist ein Egozentriker, der nicht in der Lage ist, sich in andere
hineinzuversetzen, und den Gefühle anderer überhaupt nicht interessieren. Er
schwadroniert in einer Art und Weise, die ich nur peinlich finde.
Und nachgerade antiquiert kommt mir das Verhalten und die Reaktion der Dichterin
auf die "Anmache" der Ehefrau vor.Wäre diese Geschichte vor zwanzig
oder mehr Jahren geschrieben worden, wäre sie vielleicht interessant gewesen,
aber so habe ich zu diesem Thema wesentlich Besseres, Interessanteres und
Originelleres gelesen.Dasselbe gilt für die anderen beiden Erzählungen.
Vorgeschlagen von Karin Rieck
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veröffentlicht am 07. Mai 2007 2007-05-07 08:07:38