Tagebuchaufzeichnungen vom 20.April bis 22. Juni 1945
Freitag, 20. April 1945: "Unser Schicksal rollt vom Osten heran und wird
unser Klima verändern wie es einst die Eiszeit tat, Warum? Ich will jetzt nur
den Tag sehen, die nächsten Aufgaben, das Wort Russen spricht keiner mehr aus,
es will nicht über die Lippen." Die Autorin beschreibt in diesen 2 Monaten
das Leben einer Hausgemeinschaft. Sie beschreibt so genau diesen Alltag in den
letzten Kriegstagen, wie man es selten gelesen hat: Die Hoffnungen der Menschen,
den Zusammenhalt, den Verrat, Plünderungen, Lebensnotwendigem wie
Lebensmittelkarten, "Es gab keine Lebensmittelkarten mehr, keine Befehle,
wir sind plötzlich Individuen, keine Volksgenossen mehr." Dadurch, dass
die Autorin russisch sprach, wurde sie für ein ganzes Haus die oft
lebensrettende Vermittlerin. Aber: "Wir Frauen stellen fest, dass unser
Männerbild sich ändert: Sie tun uns leid, erscheinen uns so kümmerlich und
kraftlos, das schwächliche Geschlecht. Eine Art von Kollektiv-Enttäuschung
breitet sich aus, die männerbeherrschte, den starken Mann verherrlichende,
Naziwelt wankt und mit ihr der Mythos Mann". Und alle Frauen ahnen, was
passieren wird: "Eine neue Frau im Keller. Ich habe meinen Ehering am Gummi
des Schlüpfers befestigt, wenn sie erst mal da sind, ist mir der Ring auch
egal! Und: Woll'n wir doch mal ehrlich sein, wir sind doch alle keine Jungfern
mehr, sagt eine andere. Ich überlege, wer doch!" Und dann wird alles noch
viel schlimmer!
Fazit
Die Autorin, eine Deutsche, damals Anfang 30, führte dieses Tagebuch, obwohl es
gefährlich war, so etwas damals aufzuschreiben. Die Aufzeichnungen halfen ihr,
dieses Grauen zu überleben. Und sie überlebt, vor allem psychisch, weil sie
sich nicht aufgab, obwohl sie sich preisgeben musste. Und es ist verständlich,
warum sie ihr Tagebuch anonym veröffentlicht hat! Unbedingt hörenswert!
Vorgeschlagen von Karin Rieck
[Profil]
veröffentlicht am 01. März 2007 2007-03-01 08:09:26