Die Autorin soll "überrascht" gewesen sein, dass der diesjährige
Deutsche Buchpreis an sie gefallen ist. Das ehrt sie, denn ich war es auch. Die
Auszeichnung wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben, und der
jährlich neu besetzten Jury gehörten diesmal John von Düffel, Volker Hage,
Elmar Krekeler, Terézia Mora, Pia Reinacher, Stephan Samtleben und Denis Scheck
an. Dies nur zur Warnung, denn um die Texte und das Urteilsvermögen dieser
Persönlichkeiten wird man in Zukunft am Besten einen großen Bogen machen.
Schon im letzten Jahr war mit
Arno Geiger ein Autor zum
Hoffnungsträger der jungen deutschen Literatur hochgeschrieben worden, dessen
Familiensaga "Es geht uns gut" man nach den ersten 20 Seiten - nein,
nicht genervt (das hätte ja noch eine Emotion ausgelöst), sondern einfach nur
angeödet aus der Hand legte. "Habenichtse" hat mir als Bettlektüre
wenigstens zu einem erholsamen Tiefschlaf verholfen. Das ist es also das
literarische Neue Deutschland: Protagonisten, die wie in den Wartezimmer-Illus
"Isabell" und "Andras" heißen und deren Probleme von eben
dieser Qualität sind. Hacker weiß immerhin, dass zum Erzählen die Liebe zum
Detail gehört. Aber sie exekutiert dieses Wissen durch endlose
(zeilenschindende) Beschreibungen von alltäglichen Vorgängen (Tischdecken,
Straßenszenen), die für die Geschichte weder eine formale noch eine
inhaltliche Bedeutung haben, außer vielleicht der, Bedeutungsschwere zu
suggerieren. Wie mit dem Alltagsdetail überraschende Wirkung erzielt wird,
sollten Hacker und ihre Geistesverwandten bei Updike und Kundera studieren.
Antithetische Formulierungen wie "Er dachte, dass er verrückt würde, wenn
er nicht bald mit einer Frau schlief, aber gleichzeitig ekelte ihn der Gedanke
daran" oder ähnlich: "Der Rock klebte an ihrem Po,...einladend,
abstoßend" haben offensichtlich die Jury (und vorher das
Suhrkamp-Lektorat) mächtig beeindruckt, setzen aber nur billige Effekte: Man
merkt die Machart und ist verstimmt. Und wer schon den Hintern als
"Po" bezeichnet, sollte besser für die Problemzonenrubrik von
"Brigitte" schreiben. Wie überhaupt die Sprache eher glanzlos
daherkommt. Auch Lakonik und Tristesse können ja in den Bann schlagen, aber
Hacker schreibt einfach nur umständlich und kraftlos. Warum wohl hält
Reich-Ranicki jedes "Spiegel"-Heft für literarischer als die ganze
neue deutsche Belletristik? Es ist diese sensible Langeweile der
Zoe Jenny ("Das
Blütenstaubzimmer")und Judith Herrmann ("Sommerhaus, später"),
die uns dann doch immer wieder zu den Angelsachsen greifen lässt. Aber
vielleicht ist dies nicht einmal so sehr eine Krise der deutschen Literatur,
sondern eine der deutschen Literaturkritik....
Fazit
Spar Dir das Geld. Kauf T.C. Boyle.
Vorgeschlagen von Klaus Döhmer
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veröffentlicht am 27. Januar 2007 2007-01-27 13:37:26