Schon bald nach der Verabschiedung des sogenannten Ermächtigungsgesetzes im
März 1933 begannen die Nationalsozialisten damit, die Parteien ihrer
politischen Gegner zu verbieten und deren Mitglieder in die im Entstehenden
begriffenden Konzentrationslager einzuweisen. Ein besonderes Hauptaugenmerk der
Forschung fiel bis heute auf die Geschichte des kommunistischen Widerstandes,
einerseits hervorgerufen durch die Quellenlage und andererseits durch die
Forcierung eben jener Forschungsrichtung durch die Machthaber in der ehemaligen
DDR.
Obwohl es bereits einige beachtliche regionalgeschichtliche Untersuchungen zum
Untergrundwirken von Sozialdemokraten gibt, fehlt eine Gesamtdarstellung, die
Röll auch nicht leisten kann und nicht will. Er konzentriert sich vielmehr auf
die Einweisung, Behandlung und Verfolgung von Sozialdemokraten im
Konzentrationslager Buchenwald.
Kompetent vermittelt das Buch die Rahmenbedingungen, unter denen
Sozialdemokraten als politische Häftlinge in das Konzentrationslager
eingewiesen wurden und wie sich ihr Verhältnis zu kommunistischen Häftlingen
im Lager gestaltete. Darüber hinaus nimmt Röll eine Studie zum sozialen und
politischen Profil der inhaftierten Sozialdemokraten vor, ihrer Art nach die
erste überhaupt. Dennoch kann diese Analyse nur eine erste Wegmarke zur
vollständigen Aufarbeitung und wissenschaftlichen Erfassung des
sozialdemokratischen Widerstandes und dem Leiden der Mitglieder und
Sympathisanten in den Konzentrationslagern sein.
Der Leser erfährt durch die geschilderten Einzelschicksale von bekannten
SPD-Politikern im Lager, wie Mierendorff, Heilmann, Breitscheid und Brill, einen
beklemmenden Einblick in den Lageralltag und die Denk- und Handlungsweisen der
SS-Wachmannschaften und Lagerkommandanten sowie der gleichgeschalteten Presse
und Justiz.
Abgerundet wird die Analyse durch 120 Kurzbiographien, was ungefähr ein
Fünftel der im Lager inhaftierten Sozialdemokraten ausmacht, die aber dennoch
durch ihre Haft von über drei Monaten wesentlich zur Etablierung der
Sozialdemokraten in Abgrenzung zu den Kommunisten beigetragen haben.
Aufgrund der schwierigen Quellenlage - die Lagerakten weisen nicht alle
Sozialdemokraten als politische Gefangene, sondern auch als Berufsverbrecher,
Homosexuelle usw. aus - kann Rölls Studie nur einen Ausschnitt dessen bieten,
was im Lager vor sich gegangen ist.
Fazit
Die Auswahl der Einzelschicksale vermittelt aber eine unbehagliche
Authentizität, vergleichbar mit Eugen Kogons Klassiker " Der
SS-Staat".
Vorgeschlagen von Jan C. Rode
[Profil]
veröffentlicht am 09. Februar 2003 2003-02-09 20:00:06