In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts jobbt Brandy im "Elbow Room",
einer Kneipe auf Unalaska. Unalaska ist eine 200m² große Aleuten-Insel in der
Bering-See. Sie gehört zu Alaska, das die USA 1867 vom russischen Zaren
Alexander II. kauften. Brandys Kunden sind Nachfahren von Ayas Volk, das 200
Jahre zuvor aus ungefähr 1000 Menschen bestand.
Die Aleutin Aya hat schon als Kind gelernt, dass Frauen nicht jagen, die
Jagd-Waffen noch nicht einmal berühren dürfen. Die kleine Dorfgemeinschaft auf
der Insel Unalaska lebt von der Jagd auf Wale und Robben. Ihre Mitglieder
können nur überleben, wenn die Aufgaben jedes Einzelnen genau definiert sind
und jeder sich strikt an die ungeschriebenen Regeln hält. Doch nun sind die
Männer nicht von der Jagd zurück gekehrt, die Vorräte verbraucht. Um für
ihre Kinder Nahrung zu beschaffen, verstößt Aya gegen das Jagd-Tabu und
beginnt, sich selbst das Jagen mit der Harpune beizubringen.
Die Urmutter Aya bricht ein Tabu, damit der Stamm überleben kann. Ihre
Nachfahrinnen müssen erleben, wie Dorf für Dorf durch Krankheiten ausgerottet
wird, die die Russen auf die Inseln gebracht haben. Wer nicht an den Pocken
stirbt, wird verschleppt und versklavt. Mischlingskinder aus Beziehungen
zwischen Russen und Aleutinnen werden ihren Müttern weggenommen. Die
Mütter-Generation erkennt, dass ihr Schamane sich starrsinnig an uralte Riten
klammert und so den Tod ihrer Kinder verschuldet. Auch diese Frauen verstoßen
gegen Tabus, um ihre Kinder zu retten.
In der Zeit um 1960 will eine amerikanische Sozialarbeiterin auf den Aleuten
Kinder aus - wie sie findet - primitiven Verhältnissen retten und in
Pflegefamilien unterbringen. Die Mütter der Kinder haben ganz andere Ansichten
darüber, wie Kinder aufwachsen sollen - und handeln kurz entschlossen.
Cindy Dawson verknüpft in Episoden auf mehreren Zeitebenen die Erlebnisse
verschiedener Frauen-Generationen miteinander. Die harte Zeit der Pelztierjagd,
die Besetzung durch die Russen, der Einfluss Amerikas, Zwangsumsiedlungen und
Zwangsadoptionen - der Zusammenhang zwischen den Ereignissen erschließt sich
den Lesern erst langsam.
Die Großstadtpflanze Brandy, die von Graffiti in Kneipenklos fasziniert ist,
entdeckt schließlich in einer Höhle das Geheimnis der Clan-Mütter. Doch sie
muss erst in alten Chroniken lesen, um das gemeinsame Muster der Ereignisse zu
finden. Dysons junge Heldin ist schnörkellos frech und reagiert oft zynisch.
Die Clan-Mütter verschiedener Epochen werden von der Autorin stimmig und
fesselnd beschrieben.
Fazit
Spannender Roman über eine kleine Nation, deren Lebensraum die benachbarten
Weltmächte für sich beanspruchten.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 19. November 2006 2006-11-19 18:17:00