Nichts läßt Theologen mehr erschauern als die Behauptung, die Schreiber der
Bibel wären davon überzeugt gewesen, einfach und klar von wirklichen
Geschehnissen zu berichten - denn bei solch "oberflächlicher"
Interpretation bleiben die "Botschaften" des vielgerühmten Buchs der
Bücher doch über weite Strecken unglaubwürdig, banal oder beides.
So bemüht man sich seit langem, versteckte, geheime Botschaften aus dem Text
herauszupressen - die älteste dieser Traditionen dürfte die Kabbala
darstellen. Heute deutelt man lieber tiefenpsychologisch in den Texten herum -
oder nimmt gleich den Computer, wie die Autoren.
Das Verfahren wird umständlich und mit viel mathematischem Tamtam beschrieben,
läuft aber auf folgendes heraus (mit nur minimalen satirischen
Übertreibungen):
1.) Man nimmt den hebräischen Urtext des Alten Testaments - was hier bedeutet:
die gängigste von vielen Textversionen. Satzzeichen und Leerstellen werden
ignoriert.
Beispiel: Nehmen wir an, der gesamte Text laute:
DASISTDASHAUSVOMNIKOLAUS.
2.) Statt den Text als solchen zu nehmen, liest man z. B. nur jeden 2.
Buchstaben, liest also einmal alle Buchstaben an "gerader" Stelle und
an "ungerader" Stelle hintereinander.
Für unser Beispiel:
DSSDSASONKLU und AITAHUVMIOAS.
3.) In den Ketten läßt man den Computer jetzt nach Wörtern suchen. Voilà -
was finden wir?
SS, SA und ONKL.
4.) In unserem Satz haben wir schon einen Teil einer geheimen Prophezeihung
gefunden - es geht um die SA und die SS und einen Onkel (das "e" muß
im Laufe der Überlieferungen verlorengegangen sein). Schnell schauen wir nach,
ob wir etwas finden, wenn wir jeden dritten Buchstaben nehmen:
DIDHSMKA
ASAAVNOU
STSUOILS
- und ja - "Did", "No" und "Oil"! Dieser tiefe
Bezug auf Britannien - 3 englische Wörter! - muß nun in Verbindung mit dem
Rest gebracht werden: Vielleicht, wenn die Briten und Amerikaner kein Öl - Gas?
- geben, fällt der Onkel in die Hände von SA und SS - sicherlich eine
Andeutung darauf, daß der Umsturzversuch vom Juli 44 auch aus mangelnder
Unterstützung durch die Allierten scheitern wird und die Attentäter als
"Onkel" fungieren - vielleicht als "Patenonkel" - vielleicht
also als Namensgeber.
5.) Die Botschaft in unserem Satz: Die Hitler-Attentäter werden aus Mangel an
alliierter Unterstützung scheitern, aber als Vorbild (und Kasernen-Namensgeber)
für die Bundesrepublik dienen. Wer hätte das gedacht?
KURZ gesagt: Der Autor Drosnin erzeugt durch seine Verschiebe- und
Auswahlaktionen erstmal einen ungeheuren Buchstabensalat. Da sein Original
Althebräisch ist, gibt's 24 Buchstaben, aber keine Vokale - die
Buchstabenreihen werden mehrdeutig, was die Interpretationsmöglichkeiten
vervielfacht. Bei der reinen Textmenge bleibt es nicht aus, daß es haufenweise
sinnvolle Wörter gibt - und daß die stellenweise, wieder aus rein
statistischen Gründen, gehäuft auftreten.
Drosnin behauptet zwar, massenweise "eindeutige" Prophezeihungen
gefunden zu haben und daß es statistisch fast unmöglich sei, derart viele
Wörter zu finden - aber das ist Quark. Man findet etwa gleichviele
"geheimnisvolle Botschaften", wenn man die deutsche Übersetzung des
ATs nimmt, oder "Krieg und Frieden", oder jedes andere ähnlich dicke
Buch.
Fazit
Aus den Drachen-Sichtungen des Mittelalters wurde die UFO-Verschwörung und
millionenfache "Entführungen durch Außerirdische", aus dem bösen
Blick die krebsverursachenden Erdstrahlen (oder, modischer, Handystrahlen) - und
aus der Kabbala-Mystik der Bibelcode. Willkommen im 21. Jahrhundert, wo wir
jedem Aberglauben einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen imstande
sind...
... und im Gegensatz zu Däniken ist Drosnin weder schriftstellerisch begabt
noch lustig. Bloß im Regal stehen lassen!
Vorgeschlagen von Andreas P. Rauch
[Profil]
veröffentlicht am 07. Februar 2003 2003-02-07 19:44:15