Marie Schärer hat schon früh ihre Mutter verloren und wird nun unter der
strengen Aufsicht ihres Vaters von der Wirtschafterin erzogen. Als Ruppertus
Splendidus um Maries Hand anhält, ist ihr Vater überglücklich. Marie ist
jedoch skeptisch und fürchtet sich vor der Ehe mit dem Unbekannten. Der
Magister Ruppertus Splendidus hat es jedoch nur auf die reiche Mitgift abgesehen
und ersinnt einen teuflischen Plan, der die Familie ins Unglück stürzt. Marie
Schärer wird wegen Hurerei vor Gericht gestellt. Das Urteil: Gezüchtigt muss
sie in Schande die Stadt verlassen. Die Hübschlerin Hiltrud findet sie total
erschöpft am Wegrand und nimmt sich ihrer an. Die Ungerechtigkeit, die ihr
widerfahren ist und die sich immer in Erinnerung rufenden Wunden ihrer
Züchtigung spornen sie an, das Leben als Wanderhure durchzustehen. Fünf Jahre
ihres Lebens wird sie von einem fast alles verzehrenden Hass auf ihre einstigen
Peiniger getrieben, spart das Geld, das sie von ihren Freier erhält und findet
schließlich wieder nach Konstanz zurück.
Meiner Meinung nach braucht dieses Buch von Iny Lorentz den Vergleich mit
historischen Romanen der Spitzenklasse nicht zu scheuen. Geschichtlich
aufgegriffen wird von der Autorin das Konztanzer Konzil von 1414--1418, welches
von König Sigismund von Johannes XXII einberufen wurde, um die kirchlichen
Zustände zu verbessern und die Ketzterei einzudämmen.
Anfangs hat man sich auf viele Namen einzustellen, dies ist zwar etwas
verwirrend, nach einigen Seiten ist man jedoch voll im Geschehen. Da die ersten
Seiten über Gefallen oder Missfallen eines Buches entscheiden, hat sich Iny
Lorentz darauf verstanden, den Leser sofort in den Bann der Spannung zu ziehen.
Außer einigen Blessuren von groben Freiern, übersteht die Protagonistin viele
Seiten des Buches. Die Gefahren von Geschlechtskrankheiten oder ungewollten
Schwangerschaften dürften im Mittelalter eine große Rolle gespielt haben,
werden aber in dem Roman völlig ausgespart. Das Fehlen dieser Faktoren stört
den Handlungsablauf in keiner Weise, die Autorin ist es auch so gelungen die
Geschichte glaubhaft darzustellen. Vielleicht hätte man auf diese Weise noch
manche spannende Phase einbauen können. Überraschend war, dass der
Jugendfreund Michel, der Marie nach der Vertreibung folgte erst ziemlich zum
Ende des Buches wieder in die Handlung aufgenommen wird.
Fazit
Lesen, genießen und auf die Fortsetzung "Das Vermächtnis der
Wanderhure" freuen.
Vorgeschlagen von Edelgard Kleefisch
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veröffentlicht am 25. Oktober 2006 2006-10-25 18:11:15