"In dem Jahr, als das Hydro Majestic Hotel als hydropathische Einrichtung
scheiterte, verliebte sich Harry Kitchings in die Luft und blieb. Les Curtain
begann die Dämmerung in seinen Lungen zu spüren. Es war ein romantisches Jahr.
Postboten beförderten Pakete, die mit Liebe und menschlichem Haar gefüllt
waren. Frauen hatten Notizbücher bei sich und pressten Stürme darin wie
Blumen."
So rätselhaft beginnt Delia Falconers Roman "Die Liebe zu den
Wolken", der bereits 1999 in Deutschland erschienen ist. Momentan können
Sie ihn nur noch antiquarisch, aber dafür besonders preiswert erwerben. Suche
und Kauf lohnen sich, es handelt sich nämlich um ein brillantes und
interessantes Buch, das vor allem Leser ansprechen wird, die ein Faible für
poetische Romane haben, die weit vom Mainstream entfernt sind.
Die Handlung ist in dem kleinen Kurort Katoomba in den australischen Blue
Mountains angesiedelt. Dorthin hat es diejenigen verschlagen, die auf einer
persönlichen Heilssuche sind: Tuberkulosekranke, Mystiker und wohlhabende
Rentner.
Im Sommer des Jahres 1907 taucht in Gestalt des jungen Fotografen Harry
Kitchings ein ungewöhnlicher Gast auf. Kitchings hat seine nicht unbewegte
Vergangenheit hinter sich gelassen, um sich von nun an ausschließlich dem
"Dienst an den Wolken" zu widmen. Ebenso wie sein reales Vorbild der
berühmte australische Fotograf Harry Phillips versucht er, die sich im stetigen
Wandel befindlichen Wolkenformationen auf Fotopapier zu bannen.
Ihm zur Seite gestellt hat Delia Falconer eine eigenwillige Apothekengehilfin
mit Namen Eureka Jones. Gemeinsam mit Kitchings erliegt sie der Faszination der
Wolken und durchläuft eine "Schule des Sehens". Zugleich entwickelt
und perfektioniert sie ihre ganz eigenen Fähigkeiten - und schärft Kitchings
Sensibilität für das Unsichtbare.
Acht lange Jahre wartet die junge Frau vergeblich darauf, dass der Mann, der sie
auch vor der Augen anderer Stadtbewohner deutlich umworben hat, ihr einen
Heiratsantrag macht. Aber der Fotograf denkt gar nicht daran. Im Gegenteil:
Eines Tages kommt er nicht alleine nach Katoomba zurück, sondern in weiblicher
Begleitung.
Nachdem eine weitere Liebe scheitert, vollzieht Eureka endlich ihren ureigenen
Bildungsweg. Nach dem Ersten Weltkrieges ziehen sich im übertragenen Sinne auch
die Wolken aus ihrer entzauberten Heimatstadt zurück; Eureka macht sich auf in
eine Welt, die nicht mehr das ist, was sie einmal war und erzeugt ihre eigenen
Bilder...
Fazit
Viele Dinge geschehen in diesem stilvollen, kunstvoll verwobenen, altmodischen
und manchmal etwas zu metaphernreichen Roman. Sie geschehen ungreifbar und
unangreifbar zugleich - und sind darüber hinaus flüchtig wie die Wolken. Es
ist weit mehr als die Geschichte einer unerfüllt bleibenden, schmerzlichen
Beziehung: Es ist die Geschichte einer Verzauberung, der Selbstfindung und der
künstlerischen Berufung einer starken Frau.
Vorgeschlagen von Heide John
[Profil]
veröffentlicht am 15. Oktober 2006 2006-10-15 17:19:31