Klein ist diese Geschichte wahrlich nicht. Jedenfalls nicht, wenn man sie von
der literarischen Seite aus betrachtet: vom Biß her leicht und locker - sprich
spannend und unterhaltsam, der Inhalt jedoch Vollwertkost. Tanja Langer, 1962 in
Wiesbaden geboren, hat jene besondere schriftstellerische Gabe, für jeden Leser
eine eigene Welt zu inszenieren, die dessen Horizont entspricht. Die Autorin
vielfältiger Essays, Erzählungen, Theaterstücke, Hörspiele und nunmehr
dreier Romane stellt in der "Kleinen Geschichte von der Frau, die nicht
treu sein konnte" mehrere Erzählebenen gleichrangig nebeneinander. Dies
schafft den Raum für die Betrachtung einer ganzen Reihe von Beziehungen - in
einer Partnerschaft, zwischen Müttern und Töchtern, zwischen Kunstwerken und
ihren Betrachtern, und nicht zuletzt zwischen Handlungen und ihren verborgenen
Ursprüngen. Eva, ihre Heldin, macht eine Reise, um auf einer Auktion für einen
vermögenden Opernsänger ein Bild zu ersteigern. Dabei fällt ihr ein Gemälde
des norwegischen Malers Edvard Munch in die Augen, das sie so berührt, dass sie
ihr trautes Liebes- und Familienleben komplett über den Haufen wirft. Die
Gedanken und Gefühle, die das Bild bei ihrer Protagonistin auslöst -
"Woher komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich?" - beschreibt Tanja
Langer in einer persönlichen Anmerkung zum Buch als wichtiges kulturelles Erbe,
das für sie selbst von brennendem Interesse ist. In ihrer vielschichtigen
Auseinandersetzung mit dem Thema benutzt sie biografische Bezüge auf die
Literatur und moderne Kunst (u.a. auf den Dichter Johannes Bobrowski, den
Komponisten Arthur Schönberg oder den Bildhauer Alberto Giacometti), und
schafft es so, vor dem Hintergrund des modernen deutschen Großstadtlebens eine
große "Kleine Geschichte" zu erzählen.
Fazit
Diese "kleine Geschichte" ist immerhin so groß, daß man sie als
"herausragend" bezeichnen kann...
Vorgeschlagen von Annette Rieck
[Profil]
veröffentlicht am 09. September 2006 2006-09-09 12:55:00