Meistens sitzt Maurice in seinem Büro und langweilt sich. Maurice lebt im
Berliner Stadtteil Wedding und betreibt dort ein
"Kommunikationskontor" - er führt den Schriftverkehr für
"ausländische und orthografisch benachteiligte Mitbürger" aus. Doch
weil Maurice ein ziemlich eigenbrötlerischer Mensch ist, und auch nicht
besonders begabt in der Kunst der Kommunikation, hat Maurice meist nichts zu
tun. Dann schwingt er sich auf sein uraltes Fahrrad und radelt ein bischen durch
den Kiez, oder er schreibt einen Brief an seinen Freund Hamid. Das ist die ganze
Handlung, oder fast jedenfalls. Manchmal geht Maurice auch in ein nahe gelegenes
Café. So gesehen passiert in "Maurice mit Huhn" des 1954 in der
Schweiz geborenen Autoren Matthias Zschokke nicht viel, doch das macht nichts.
In anderer Hinsicht tut sich nämlich jede Menge: unzählige Einzelbeobachtungen
des Alltagslebens verpuzzlen sich zu einem Gesamteindruck, der gerade das
Banale, das Unscheinbare in den Mittelpunkt stellt. "In jeder Sekunde
geschieht alles," beobachtet Maurice, "doch wir sehen es nicht und
empfinden Stillstand. Wir glauben, interessant sei das Außergewöhnliche, die
Rhythmusstörung, der Aussetzer. Das Grandiose ist aber der Rhythmus, der Fluss,
die Allgegenwart. Wenn wir jederzeit offen wären, zu sehen, was uns umgibt,
dann hätten wir ein Leben voller Überraschungen." Zschokke, der selbst
seit 1980 in Berlin lebt, hat sich diesen Blick auf die kleinen Banalitäten
bewahrt. Und er hat es geschafft, aus all den kleinen kuriosen Gegebenheiten,
skurrilen Menschen und bizarren Ideen ein stimmiges Ganzes zu machen, das auch
ohne nennenswerte Handlung eine schöne Geschichte erzählt.
Fazit
Ein erfrischender Blick auf die kleinen Dinge im Leben - bitte hingucken!
Vorgeschlagen von Annette Rieck
[Profil]
veröffentlicht am 08. September 2006 2006-09-08 12:29:55