Der Austernmann - das ist Jochen Osthaus, gestandener Veterinärmediziner an der
Universität München in den besten Jahren, und mit einem Kommunikationsproblem
behaftet. Jochen Osthaus kann nämlich nicht sagen, was er denkt. Die Worte
bleiben ihm im Halse stecken, oder sie kommen gar nicht erst soweit, sondern
schwirren in wüsten Fragmenten in seinem Kopf herum. Besonders schlimm ist es
dabei, wenn es sich um Gefühle handelt, und in schwierigen Situationen kann er
nur mit der linken Schulter zucken, um seinen Mitmenschen zu zeigen, dass er
nichts zu sagen weiß. Austernmänner gibt es viele. Und oft üben solcherart
schwierige Charaktere eine merkwürdige Anziehung auf Frauen aus - vielleicht
bin ja gerade ich es, die diese Auster knacken kann... Doch das Scheitern der
Beziehung ist meist vorprogrammiert, und damit beginnt auch diese Geschichte:
"Jochen Osthaus wurde zweimal in seinem Leben verlassen. Heute war das
zweite Mal." Da steht er nun, alleine mit der dreijährigen Tochter und dem
vierjährigen Sohn, denn seine Frau Lili hat von heute auf morgen ihre Koffer
gepackt und ist ausgezogen. Asta Scheib, die bereits in diversen Biografien eine
bemerkenswerte Einfühlsamkeit für andere Menschen bewiesen hat (z.B.
"Eine Zierde in ihrem Hause. Die Geschichte der Ottilie von
Faber-Castell", "Jeder Mensch ist ein Kunstwerk. Begegnungen")
macht mit ihrem sensiblen Porträt die gestörte Psyche und die Verzweiflung
eines kontaktgestörten Mannes verständlich - nicht nur für den Kopf, sondern
auch für’s Herz. Den nächsten Austernmann kann man bestimmt besser
verstehen...
Fazit
Ein spannendes Porträt einer schizoiden Persönlichkeit, mit menschlicher
Wärme und Anteilnahme erzählt.
Vorgeschlagen von Annette Rieck
[Profil]
veröffentlicht am 07. September 2006 2006-09-07 13:20:55