Und wieder einmal ist es so weit - die Druckerpressen rotieren, die Fans
rotieren, Spielleiter brüten über seltsamen Tabellen, um sie auswendig zu
lernen und die Internetcommunity springt sich gegenseitig an den Hals.
Die vierte Regeledition ist da.
Juhu.
Also, wo fängt man an für ein Buch, über das schon so viel geschrieben worden
ist? Die vierte Edition der Shadowrun-Regeln ersetzt endlich das lang bewährte
und lang hart geprüfte
Shadowrun Grundregelwerk 3.01D und
revidiert dabei die Regeln in einem recht gewaltigen Umsturz. Dazu kommt ein
Zeitsprung fünf Jahre in die Zukunft, sodass Shadowrun jetzt 2070 spielt. Durch
die in
Shadowrun -
Systemausfall beschriebenen Ereignisse ist die herkömmliche Matrix offline
gegangen und wurde durch eine drahtlose WiFi-Matrix ersetzt. Dazu kommt noch die
sogenannte Augmented Reality, ein Kompromiss zwischen elektronischer Loslösung
und Realität - eine halbdigitale Welt, in der man Produkte im Supermarkt
betrachten und gleichzeitig ihre digitalen Tags lesen kann.
Regeltechnisch hat die vierte Edition einen ziemlich mutigen Sprung nach vorn
gewagt, viele herkömmliche Regelmechanismen wurden über Bord geworfen und
liebgewonnene Pfade verlassen und überdacht.
Die Regelreformen sind natürlich viel zu komplex, um sie hier erläutern zu
können, also kann ich nur meinen ersten Eindruck schildern: Zuerst einmal wird
man mehr Würfel benötigen. Viel mehr Würfel, da jetzt mit Attribut+Fertigkeit
gewürfelt wird, anstatt wie bisher nur mit der Fertigkeit. Vorteilhaft ist die
Zusammenstutzung der Fertigkeitsregeln, sodass Godlike-Charaktere jetzt ein
deutlich schwierigeres Spiel haben. Dazu wurden viele komplexe und
unverständliche Regelmechanismen wie ein Großteil der Matrixregeln und
Fahrzeugkampf schlicht über Bord geworfen, sodass man sogar nach dem ersten
Durchlesen zumindest das Gefühl hat, alles einigermaßen verstanden zu haben.
Das Spiel wird durch viel größere Kombinationsmöglichkeiten der Proben
flexibler und gleichzeitig aufgrund des festen Mindestwurfes für den
Spielleiter leichter berechenbar (da nur noch zwei Variablen berechnet werden
müssen anstatt drei).
Und zu alledem bleibt Shadowrun seinem nicht-modularen Aufbau treu: Mit dem
Basisbuch geht alles, von differenzierter Magie über Tiefenhacks bis hin zu
wahnwitzigen Verfolgungsjagten - keine Erweiterungspacks dringend nötig.
Trotzdem gibt es ein paar Wermutstropfen: Neben der hohen Würfelanzahl gibt es
einzelne Stellen im Buch, die einen erfahrenen Spielleiter die Stirn runzeln
lassen. Das sind zum einen die sehr vage gehaltenen Drogenregeln, bei denen
immer wieder steht, man sollte Abhängigkeit etc. schlicht mit Rollenspiel
darstellen - aber gerade bei Einsteigergruppen ist es essentiell wichtig, einen
Regelrahmen für so etwas zu haben. Und wenn eine Gruppe
"professionell" genug ist, so etwas komplett über Rollenspiel
abzuhandeln, dann tun sie es sowieso. Dieser Regelrahmen fehlt aber fast
vollständig.
Der dritte Mankopunkt sind die Drohnen und Fahrzeugtabellen am Ende des Buches:
Vielleicht war die Zeit alle oder es lag am Platz, aber die Fahrzeuge und
Drohnen sind fast ausschließlich mit einem kurzen Satz abgehandelt, der oft
sehr nichtssagend ist. Gerade bei Drohnen bekommt man nicht ansatzweise eine
Idee über die Größe, so kann die MTC-Nissan Roto-Drone mit der lakonischen
Bezeichnung "Diese Rotor-Drohne ist eine einfache, auf das Wesentliche
reduzierte Drohne mit Rotorantrieb" (Ach was!) in meiner Vorstellung jede
Größe zwischen einem Zentimeter und mehreren Metern Durchmesser annehmen - und
das hilft nun wirklich nicht. Größenangaben gibt es weiter leider auch nicht.
Tja, und einige Tippfehler und Übersetzungsmankos machen es teils sehr
schwierig, Items zu finden, da die Tabellen nach allem, nur nicht alphabetisch
und schon gar nicht nach der Reihenfolge im Text angeordnet sind. Und da tut das
Fehlen eines Index wie in 3.01 wirklich weh.