Flavius Claudius Julianus, römischer Kaiser von 361 bis 363 n. Chr., der
Nachwelt besser bekannt als Julian (oder weniger schmeichelhaft als "Julian
der Abtrünnige" = Julian Apostata), ist eine faszinierende Gestalt. Obwohl
selbst ein Neffe Konstantins des Großen versuchte er, dessen Privilegierung des
Christentums wieder rückgängig zu machen und die traditionellen Götterkulte
zu neuem Glanz zu verhelfen. Julian brachte hervorragende Voraussetzungen mit:
er war intelligent, hochgebildet und ein durchaus fähiger Militär. 360 wurde
er von seinen Truppen in Paris zum Kaiser erhoben und trat 361 die Nachfolge
seines Vetters Constantius II. an, der einer Krankheit erlegen war, so dass
Julian ohne Kampf an die Macht kam. In den folgenden Jahren bevorzugte er,
obwohl selbst christlich erzogen, die heidnischen Kulte, erließ gar 362 das
berüchtigte Rhetorenedikt, mit dem die Christen faktisch Lehrverbot erhielten.
Im Frühjahr 363 brach Julian nach Osten auf. Er wollte den gefährlichsten
Feind Roms, das neupersische Sasanidenreich, erobern und damit auf den Spuren
Alexanders des Großen wandern. Dies misslang gründlich. Julians Perserkrieg,
schlecht vorbereitet und noch schlechter ausgeführt, endete in einer
Katastrophe: Julian fiel, der neue Kaiser Jovian, wie alle Nachfolger Julians
ein Christ, musste einen unrühmlichen Frieden mit den Persern schließen und
ihnen umfangreiche Territorien in Mesopotamien abtreten.
Julians Herrschaft war nur kurz, dennoch fasziniert er die Nachwelt wie kaum ein
anderer Kaiser. Dies ist nicht zuletzt der äußerst günstigen Quellenlage zu
verdanken: Es sind zahlreiche Schriften Julians erhalten, ebenso wie das letzte
große lateinische Geschichtswerk der Antike, die Res Gestae des Ammianus
Marcellinus, der Julian kannte und verehrte, ihn aber dennoch so manches Mal
kritisierte. Für viele Heiden und die späteren Aufklärer war Julian ein
tragischer Held, für seine christlichen Kritiker hingegen war er im schlimmsten
Fall ein Abtrünniger und Verfolger, im besten Fall ein Träumer, der sich nicht
mit den neuen Gegebenheiten anfreunden mochte. Denn Julians Regierungszeit,
besonders sein Aufenthalt in der fast völlig christianisierten Großstadt
Antiochia in Syrien, zeigte, dass das Christentum vielleicht benachteiligt,
sicherlich aber nicht mehr ausgeschaltet werden konnte. Die zersplitterten
heidnischen Kulte waren dem kraftvollen Impetus des Christentums kaum mehr
gewachsen.
Mit Julian haben sich denn auch viele Historiker auseinandergesetzt. 1978
erschien Glen Bowersocks knappe, aber gedankenreiche Biographie "Julian the
Apostate", vor kurzem erst Marion Giebels und Klaus Bringmanns Biographien.
Klaus Rosens Werk ist umfangreicher als alle vorher genannten, und der Autor
selbst ist geradezu prädistiniert dafür, hat er sich doch schon in mehreren
Aufsätzen mit der Person Julians befasst. Das Werk ist in zehn Kapitel
unterteilt: 1) Wer war Julian?; 2) Konstantinopel 337 n.Chr.; 3) Ein göttlicher
Lebensplan; 4) Der Waisenknabe; 5) Der Student; 6) Der Caesar; 7) Der Usurpator;
8) Der Kaiser; 9) Der Verlierer [Persienfeldzug und Tod]; 10) Der Umstrittene
[Rezeptionsgeschichte, die sehr ausführlich behandelt wird]. Daran schließen
sich ein knapper Anmerkungsapparat, ein recht ausführliches Quellen- und
Literaturverzeichnis, eine Zeittafel, ein Kartenverzeichnis, ein Stammbaum sowie
ein Register an. Über 60 Abbildungen sind über das Buch verstreut, das sehr
gut verarbeitet ist. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass mehrere
Quellenausschnitte, die leider nicht kursiv o. ä. gekennzeichnet sind, in den
Text eingebunden sind.
Sehr detailliert beschreibt Rosen die Zeitumstände und die Jugend Julians, das
Trauma von 337, als praktisch seine ganze Familie im Anschluss an den Tod
Konstantins des Großen einer Säuberung der Militärs zum Opfer fiel, seine
philosophischen Studien oder seine Zeit als Unterkaiser (Caesar) in Gallien, wo
ihm 357 beim heutigen Straßburg ein grandioser Sieg über die Alamannen gelang.
Besonders interessant ist Rosens Interpretation der religiösen Vorstellungen
Julians, der sich nach Rosen erst nach der Thronbesteigung ganz dem Heidentum
zuwandte. Auch behandelt Rosen recht ausführlich die Darstellung in dem
Geschichtswerk des Ammianus, der an manchen Stellen, wie der Erhebung in Paris
360, vieles eher schönfärbte und aus der faktischen Usurpation Julians eine
spontane Akklamation durch die gallischen Legionen machte. Auch hier kommen
Rosens Kenntnisse voll zum Tragen, hat er sich doch auch schon mit Ammianus in
einer früheren Studie befasst.
Viel Platz nimmt verständlicher Weise die "Reformtätigkeit" Julians
und abschließend der Persienfeldzug ein. Diesen hatte der Historiker Gerhard
Wirth vor Jahren in einem Aufsatz kritisch analysiert und die Fehlleistungen
Julians aufgezeigt ("Julians Perserkrieg. Kriterien einer
Katastrophe", in: R. Klein, Julian Apostata, Darmstadt 1978). Auch wenn
Rosen nicht derart hart mit Julian ins Gericht geht - insgesamt überwiegt doch
die Kritik an diesem ganz und gar unnötigen Abenteuer; war doch die Grenze
nicht gefährdeter als sonst, zumal sich die Defensivpolitik von Julians
Vorgängern durchaus bezahlt gemacht hatte.
Dennoch ist Rosens Kritik an Julian nicht grundlos, wie er auch an anderen
Stellen die Leistungen Julians würdigt. Am Ende bleibt das Fazit eines
gescheiterten Romantikers, der sich mit ganzem Herzen seiner Sache verschrieben
hatte, dabei aber auch schwerwiegende Fehler beging und teils auch die Realität
verkannte.
Fazit
Erwartet man eine hochtrabende und idiosynkratische Sprache, so wird man von der
Biographie enttäuscht sein. Rosens Stil ist bodenständig, aber sehr gut
lesbar; vor allem aber ist Rosen ein Kenner der Materie, mit der er sich
kritisch-objektiv auseinandersetzt. Meiner Meinung nach ist dieses Buch die
beste Darstellung Julians seit der grandiosen Biographie von Bidez aus dem Jahr
1930, wobei ich aber als Ergänzung weiterhin zu Bidez, Bowersock und auch
Bringmann raten möchte.
Abschließend sei bemerkt, dass im Klett-Cotta Verlag wieder einmal, nach
Welweis Spartabuch, der Neuauflage der Alexanderbiographie von Robin Lane-Fox
oder Symes Römischer Revolution, eine mehr als gelungene Darstellung zu einem
interessanten Abschnitt der antiken Geschichte vorliegt. Allerdings sei ebenso
darauf hingewiesen, dass die Anmerkungen wieder als Endnoten, nicht als
Fußnoten beigegeben sind, was teilweise unnötiges Blättern notwendig macht.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 12. Juni 2006 2006-06-12 15:44:09