Der Piper-Verlag hat im Jahre 2002 den Thriller "Des Teufels
Alternative" von Frederick Forsyth aus dem Jahre 1979 neu aufgelegt. Dies
ist ein besonderer Hochgenuss für alle Fans dieses Autors. Nach meiner festen
Überzeugung ist dieses der beste Thriller Forsyths überhaupt und gehört
sicherlich zu den Spitzentiteln dieses Genres. Es ist - zugegebermaßen - mein
persönlicher Lieblingsthriller.
Im Sommer 1982 steht die damalige Sowjetunion vor einer schweren Missernte. Die
Falken im Kreml um Chefideologe Wischnajew fordern die Invasion Westeuropas, um
an deren Weizenvorräte zu gelangen. Sie wollen damit die eigene Bevölkerung
ernähren. Die Gefahr eines Atomkrieges sehen sie nicht: die USA würden, um
diesen zu vermeiden, letztlich zurückweichen. Die "Realisten" um
Staats- und Parteichef Rudin wissen dagegen, dass diese Vorgehensweise
unweigerlich zum Konflikt mit der NATO und den USA führen und einen atomaren
Krieg einschließlich der Vernichtung der Menschheit wahrscheinlich werden
lässt. Sie wollen in dieser Situation mit den USA verhandeln, um durch
Zugeständnisse bei der Abrüstung neue Weizenlieferungen zu erhalten. Damit
soll die hungernde Bevölkerung ernährt werden. Die Mehrheitsverhältnisse im
Politbüro, dem Führungsgremium der UdSSR, sind jedoch äußerst knapp: die
"Tauben" verfügen lediglich über eine Stimme Mehrheit. Zu dieser
moderaten Fraktion gehört der Vorsitzende des KGB, der jedoch einem Attentat
ukrainischer Terroristen zum Opfer fällt. Diese entkommen nach Deutschland,
werden dort wegen anderer Vergehen verhaftet und kommen in ein West-Berliner
Gefängnis. Die Terrorgruppe ist damit jedoch nicht zerschlagen; die Drahtzieher
der Verschwörung sind nach wie vor im westeuropäischen Ausland untergetaucht.
Die Ereignisse um den Tod des KGB-Chefs hält Rudin jedoch selbst vor der
eigenen Parteiführung und der Mehrheit des Politbüros geheim. Die Terroristen
wollen jedoch die Ermordung des Geheimdienstchefs publik machen, um so der
verhassten Diktatur einen irreparablen Gesichtsverlust zuzufügen. Sie schmieden
daher einen furchtbaren Plan: die Verbrecher kapern in der Nordsee einen Tanker
und drohen mit der größten Umweltkatastrophe aller Zeiten, einer
unvorstellbaren Ölpest. Ihre Bedingung: die nach Deutschland entkommenen
Mörder des KGB-Chefs sollen nach Israel geflogen werden und dort vor die Presse
treten, um ihre Tat zu verkünden. Dies kann Rudin nicht zulassen: er fordert
von den westlichen Regierungen, diese sollten den Forderungen der Terroristen
nicht nachgeben, sonst würden alle Abrüstungsverträge und die bisher
erreichte politische Entspannung aufs Eis gelegt. Der Westen, der die Motive des
Kremlchefs nicht versteht, steht vor einer furchtbaren Entscheidung: Ölpest in
der Nordsee oder Konfrontation mit dem Kreml. Gibt es einen Ausweg aus "Des
Teufels Alternative?"
Dieser Politthriller hat mir ausnehmend gut gefallen. Er bietet eine
realistische Schilderung der Gefahren, die durch machtgierige Politiker und
Terroristen drohen kann. Die Handlung bezieht sich zwar auf die UdSSR in den
siebziger Jahren. Die furchtbaren Ereignisse des 11. September haben die
terroristische Bedrohung jedoch wieder ins weltpolitische Blickfeld gerückt und
somit auch diesem "Klassiker" erneute beklemmende Aktualität
verliehen. Natürlich hat dieser Thriller ein klares Feindbild: die Kommunisten.
Der Autor ist ein politisch Konservativer. Aber zum Thriller gehört nun einmal
die Spannung und das "Feindbild": hier die "Guten", dort die
"Bösen". Im Thriller (to thrill) herrscht in der Regel starker
Dualismus vor. Der Leser soll sich mit den idealistisch gezeichneten
"Guten" identifizieren. Differenzierung ist nicht die Stärke dieses
Genres und auch nicht die von Forsyth. Aber das Buch ist ausgesprochen spannend
und im übrigen auch sehr gut recherchiert. Der Wissensstand basiert
naturgemäss auf den Erkenntnissen von 1979. Heute weiss man, daß im
sowjetischen Politbüro selten scharf debattiert wurde. In der Regel wurde
versucht, Konflikte im voraus zu "lösen" und zu einstimmigen
Entscheidungen zu kommen. Dies war Ende der 1970-ger Jahre jedoch noch nicht
bekannt. Kennzeichen dieses Buches ist im übrigen seine genaue Authentizität.
Die handelnden Politiker der wichtigsten Länder am Ende der 1970-ger Jahre
kommen - unter anderen Namen - vor, sind aber - vor allem fuer die älteren
Leser - erkennbar. Politiker wie der damlige US-Präsident Jimmy Carter, sein
Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski, US-Außenminister Cyrus Vance, die
britische Premierministerin Margaret Thatcher, der damalige sowjetische Staats-
und Parteichef Breschnjew und sein damaliger Chefideologe Michail Suslow (er ist
der Wischnajew im Roman) spielen alle eine wichtige Rolle. Dieser Kunstgriff
verstärkt das oben erwähnte Gefühl von Authentizität und Realität. Gerade
heute - nach dem Zerfall der UdSSR - ist das Buch erneut lesenswert, da ja die
damalige Prognose des Terroristenchefs - die UdSSR werde sich auflösen -
inzwischen ja eingetreten ist. Und wie gefährlich terroristische Aktionen sind,
die - nicht nur im Thriller - die Welt an den Rand eines Abgrunds bringen
können, haben die Ereignisse um den 11. September 2001 erneut gezeigt.
Fazit
Daher meine Empfehlung: diesen unvermittelt aktuell gewordenen gut
recherchierten Thriller unbedingt lesen!!!
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 12. Januar 2003 2003-01-12 20:18:10