Tagebuchaufzeichnungen eines jungen Mädchens reizen dazu, einmal einen
verstohlenen Blick hinein zu werfen. Was mag in diesem jungen Menschen vorgehen,
welche Gedanken, welche Gefühle hat er? Nicht heimlich, sondern ganz offiziell
öffnet Lina ihr Tagebuch in dem Jugendroman "Linas geheime
Liebesnotizen". In diesem Buch notiert sie alles, was sie bewegt und
erlebt. Sehr intim, sehr ehrlich, sehr intensiv.
Lina ist 15 und noch immer ungeküsst. Doch das soll sich bald ändern,
schließlich will sie mitreden können, wenn ihre erfahrenen Freundinnen sich
unterhalten. Von denen hat die ein oder andere sogar schon ihre Unschuld
verloren. Weil Lina endlich auch dazu gehören möchte, lässt sie sich von
Thea, ihrer vermeintlich besten Freundin, sogar mit Danne
"verkuppeln", den sie zwar ganz nett findet, aber eben nicht liebt.
Nur leider ist Lina nicht in der Lage, Selbstbewusstsein zu zeigen und das zu
sagen oder zu tun, was sie eigentlich will. Viel zu wichtig ist ihr momentan
noch das, was andere von ihr denken!
Dabei ist Lina ganz schrecklich verliebt. Nämlich in Ivar. Doch der ist zwei
Jahre jünger als sie und geht erst in die siebte Klasse. Was würden die
anderen nur sagen, wenn Lina sich plötzlich zu diesem Verliebtsein bekennen
würde? Nein, da ist es doch viel einfacher so weiter zu machen wie bislang.
Lina geht in dem Roman sogar soweit mit Danne zu schlafen, empfindet dabei aber
rein gar nichts. Eigentlich ist es ihr fast gleichgültig, das erste Mal, das
sie "hinter" sich bringt, weil alle eben schon mal mit einem Jungen
geschlafen haben.
Nur ganz langsam erkennt Lina, dass es wichtig ist, den eigenen Weg zu gehen.
Erst als sie den Mut aufbringt, sich von Danne zu trennen, dann aber die Angst
hat, schwanger zu sein, geht ihr endgültig ein Licht auf: Lina ist Lina und
muss ihr eigenes Leben leben.
Liebe und Sexualität sind Themen, die junge Menschen mit 15, 16 Jahren stark
bewegen. Wie weit aber darf ein Jugendroman gehen, um das Thema authentisch
aufzuarbeiten? Eines sei vorweg gesagt, die Autorin Emma Hamberg geht sehr weit.
Soweit, dass junge Mädchen hier sogar fast eine Anleitung zur
Selbstbefriedigung erhalten; soweit, dass jeder Leser nachvollziehen kann, wie
ein Geschlechtsakt funktioniert. Ob solch eine Intimität tatsächlich auf diese
Art schriftstellerisch aufgearbeitet werden muss? Darüber lässt sich streiten,
ohne Frage. Gerade weil sich das Buch an eine Altersgruppe richtet, die noch
dabei ist erste sexuelle Erfahrungen zu machen. Aufklärung ist wichtig,
Prüderie sicher fehl am Platze. Aber Textpassagen, die vor allen Dingen
Voyeuristen ansprechen, müssen sicherlich nicht sein bei jugendlichen
Leserinnen und Lesern, die sich noch in der Pubertät befinden.
Emma Hamberg ist dafür bekannt, offene und verständliche Wort zu sprechen. Ihr
"Ratgeber" "Liebe und Sex", ebenfalls bei rororo rotfuchs
erschienen, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um diese beiden Themen geht.
Als Moderatorin einer schwedischen Radiosendung für Jugendliche hat immer
wieder mit Fragen zu Liebe und Sexualität zu tun - und beantwortet diese offen
und für schonungslos.
Fazit
Trotz der oben genannten Kritikpunkte ist das Buch "Linas geheime
Liebesnotizen" übrigens ein gutes Buch und empfehlenswert. Weil es
nachdrücklich und mit einer ungeheuren Intensität zeigt, wie wichtig es ist,
als junger Mensch seinen eigenen Weg zu gehen. Weil es zeigt, wie wichtig es
ist, nicht in der Masse unterzugehen, sondern ein Individuum zu bleiben - mit
eigenen Wünschen, Vorstellungen und manchmal eben auch gegen "die
anderen". Weil es zeigt, dass dieser Weg nicht immer einfach zu gehen ist -
aber dennoch lohnenswert ist.
Vorgeschlagen von Martina Meier
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veröffentlicht am 16. Mai 2006 2006-05-16 13:16:09