Die Staatsform der Bundesrepublik Deutschland wird als parlamentarische oder
auch repräsentative Demokratie gesehen. Das hebt die besondere Stellung des
Parlaments und der Abgeordneten als gewählte Repräsentanten oder Vertreter der
Bürger hervor. So weit, so gut. Aber wie sieh die Arbeit im Parlament
tagtäglich aus, fernab von verfassungsgemäßen Bestimmungen und Festlegungen,
was ist gängige Praxis und wie frei sind unsere Abgeordneten in ihrer
Willensentscheidung wirklich? Diesen und weiteren (interessanten) Fragen gehen
die beiden Autoren Peter Dausend und Horand Knaup. Die beiden Journalisten
kennen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit die Arbeit des Parlaments und der
Regierung gut und möchten dem interessierten Leser einen Eindruck über die
Lebenswelt unserer Bundestagsabgeordneten vermitteln.
Der Titel des Buches weist bereits darauf hin: Ganz am Schluß stehen die
Abgeordneten alleine da. Nach der anfänglichen Begeisterung nunmehr das
angestrebte, staatspolitisch hoch angesehene Amt der/des Bundestagsabgeordneten
durch das Votum der Wähler auf Zeit wahrzunehmen, kehrt schon rasch
Ernüchterung ein. Der erbarmungslose und hektische Alltag bestimmt das Leben.
Gleich, ob es um die Position (hierarchisch, wie politisch) innerhalb der
eigenen Fraktion dreht, um die Arbeit mit Medien, Lobbyisten, der Parteibasis
oder den Bürgern des Wahlkreises. Stets stellen die Abgeordneten das Zentrum
des Lobes, häufiger aber der Kritik dar. Der Umgang miteinander im Parlament,
aber auch außerhalb hat sich geändert. Die Schärfe der Auseinandersetzung und
des Tonfalls hat sich geändert - keineswegs zum Besseren, wie die Autoren an
zahlreichen Beispielen eindrucksvoll belegen.
Das bleibt auch nicht "in den Klamotten" stecken - die Persönlichkeit
ändert sich. Nicht sofort, sondern nach und nach, ein schleichender Prozess,
der ebenfalls nicht ohne Auswirkungen auf das Privatleben bleibt. Und da ist
natürlich noch eine, wenig beachtete, aber sehr wichtige Frage: Was geschieht
nach dem "Aus"? Auch diesem Aspekt gehen Peter Dausend und Horand
Knaup nach.
Fazit
Ein spannend geschriebenes Buch, das einen (tiefen) Einblick in den Alltag
unserer Repräsentanten in Berlin zulässt. Die Autoren verstehen ihr
journalistisches Handwerk, berichten, kommentieren und erzählen so, als wäre
man live vor Ort. Unabhängig von der politischen Couleur lernt der Leser die
Abgeordneten als (zweifelsfrei politische) Menschen kennen. Ein völlig anderer
Blick auf die Bedingungen und Wirkungen des Alltagslebens eines Volksvertreters,
gleich ob Hinterbänkler, oder zur politischen Prominenz gehörend.
Gerade in Zeiten von Politikverdrossenheit ein wichtiges Buch, das eine breite
Leserschaft verdient. Ganz zum Schluss versuchen sich die Autoren im Kapitel
"Störstellen" mit Vorschlägen zur Optimierung des politischen
Betriebs. Aus meiner Sicht zeigt sich bei der Schwachstellenanalyse, wie
schwierig Verbesserungen sein können. Hier geht die Stringenz teilweise
verloren, denn: einfache Lösungen sind nicht immer die besten Lösungen.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 11. Oktober 2020 2020-10-11 08:30:22