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Gunther Hellmann: Deutsche Außenpolitik

Deutsche Außenpolitik

von Gunther Hellmann
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Politik
ISBN-13 978-3-531-14906-6

Preis: 37,99 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. November 2024]
Im Zentrum des vorliegenden, für die Fernuniversität Hagen konstruierten, Lehrbuches über die deutsche Außenpolitik liegt der Schwerpunkt auf einer problemorientierten Einführung anhand gängiger theoretischer und methodischer Instrumentarien, wie sie in der Analyse von Außenpolitik und internationaler Politik zur Anwendung kommen. Das Buch bietet keine historische bzw. systematische Gesamtdarstellung deutscher Außenpolitik, wie dies etwa Gregor Schöllgen, Helga Haftendorn oder Christian Hacke in ihren Werken getan haben.

Das Buch führt im ersten Kapitel in den Begriff der Außenpolitik eni und erläutert systemische und subsystemische Ansätze der Außenpolitikanalyse, wie sie etwa der Realismus/Neorealismus oder der soziologische Institutionalismus darstellen.

Kapitel 2 beleuchtet die Geschichte, die Entstehung und die Entwicklung von Außenpolitik, wobei auch auf Begriffe wie Demokratisierung von Außenpolitik, Europäisierung, Transnationalisierung und Globalisierung eingegangen wird. Kapitel 3 untersucht die Frage, welche Institutionen und Personen im politischen System der Bundesrepublik Deutschland Außenpolitik gestalten, bevor in Kapitel 4 die Theorie des Realismus bzw. Neorealismus als systemischer Ansatz in den Internationalen Beziehungen (IB) erklärt und die Geschichte der deutschen Außenpolitik zwischen 1871 und 1945 aus realistischer Sicht skizziert wird. Interdependente Ansätze wie der der politischen Ökonomie in einem Handelsstaat und die Theorie des soziologischen Institutionalismus werden in den Kapiteln 5 und 6 verwendet, um die Außenpolitik des "Handelsstaates" Deutschland seit 1945 zu skizzieren, wobei auf die Integration Deutschlands in Europa und Nato eingegangen und diese im Lichte dieser Theorien erklärt wird. Leider wird auf die Theorie des Liberalismus, der einen Zusammenhang zwischen Innen- und Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland skizziert hier nicht eingegangen. Die starke Betonung, die Theorie des soziologischen Institutionalismus lege auf gemeinsame Werte, Prinzipien und Normen wert (so wird etwa das Beharren Deutschlands, auch nach der Wiedervereinigung in der NATO zu bleiben, primär mit seinem Wunsch begründet, in der westlichen Wertegemeinschaft zu verbleiben (S. 104). Dies stimmt zwar, allerdings scheint mir diese Erklärung eher aus der Wechselbeziehung zwischen demokratischem System und Außenpolitik begründet zu sein, also eher ein liberalistischer als ein institutionalistischer Erklärungsansatz zu sein. Eine eingehende Darstellung und Erklärung der deutschen Außenpolitik aus der systemischen Perspektive des Liberalismus sollte in einer Neuauflage berücksichtigt werden.

Kapitel 7 untersucht Individuen und Außenpolitik, wobei dem Faktor Persönlichkeit im untersuchten Zeitraum zwischen 1871 bis heute durchaus Gewicht beigemessen wird und gezeigt wird, dass zwar nicht den "großen Männern" gehuldigt werden soll, die Analyseebene des Individuums jedoch bei einer Analyse der deutschen Außenpolitik nicht ausgeblendet werden kann, wobei Individuum und Gesellschaft beide erst die Gesamtheit des historischen Prozesses bilden, wie der Autor in Anlehnung an Immanuel Geiss feststellt. In Anlehnung an einen Text von Byman und Pollack aus dem Jahre 2001 (leider im Literaturverzeichnis, wie zahlreiche andere im Text erwähnten Quellen, nicht enthalten!) werden Hypothesen über die Rolle von Individuen in der Außenpolitik aufgezählt, die aus deutschem Blickwinkel von Interesse sind.

Kapitel 8 untersucht die Rolle von Bürokratien und Entscheidungsprozessen in der Außenpolitik, wobei auf Modelle des rationalen Akteurs und seine Alternative, die "Black Box" ebenso eingegangen wird wie - in Anlehnung an die Studie von Allison/Zelikow über die Kuba-Krise - auf die Modelle: Außenpolitik als "Organisatorischer Prozess" und Außenpolitik als "Bürokratische Politik". Auch Typen von Entscheidungssituationen (Routineentscheidungen, Planungsentscheidungen) werden aufgeführt und Planungsentscheidungen am Beispiel von Egon Bahrs Ostpolitik-Konzept erläutert.

Der Einfluss von Verbänden und Nichtregierungsorganisationen wird in Kapitel 9, der der Öffentlichen Meinung in Kapitel 10 untersucht. Kapitel 11 widmet sich dann der Frage, wie politische Kultur und nationale Identität (die in den Kapiteln definiert werden) Entscheidungen in der Außenpolitik begründen, wobei erörtert wird, ob die "Kultur der Zurückhaltung", die die Außenpolitik der Bundesrepublik bis zur Wiedervereinigung prägte, beendet wurde oder wiederkehrte. Die Politik Deutschlands im Golfkrieg, im Kosovo-Krieg, der Anti-Terror-Einsätze und der Nichtteilnahme am Irak-Krieg werden unter dieser Fragestellung untersucht und - leider recht kursorisch - beantwortet. Es scheint so, dass trotz Veränderungen in der Haltung Deutschlands zur Beteiligung an militärischen Auslandseinsätzen die Skepsis gegenüber bzw. Ablehnung der gewaltsamen Regelung internationaler Konflikte nach wie vor weit verbreitet ist. Hier vermisse ich eine Analyse der verschiedenen Argumentationsmuster der einzelnen Politiker, wie es der Autor jedoch ein Kapitel später (Kapitel 12: Außenpolitische Diskurse (hier geht er ausführlich auf das Instrumentarium der Diskursanalyse ein) in Bezug auf Begriffsveränderungen und Wandel in der deutschen Außenpolitik unter Bezug auf eine Studie seines Mitautors und Mitarbeiters Rainer Baumann in Bezug auf den Begriff Multilateralismus durchführt. In einem Ausblick stellt der Autor in Kapitel 13 Szenarien über die Zukunft der deutschen Außenpolitik bis ins Jahr 2020 vor, wobei Hellmann unter Zuhilfenahme früherer Aufsätze die Alternativen "Fortschreitende Normalisierung" und "Europäische Konsolidierung" als mögliche Szenarien deutscher zukünftiger außenpolitischer Entwicklung darstellt und begründet.

Insgesamt eine sehr gute problemorientierte Einführung in theoretische und methodische Instrumentarien der Außenpolitikanalyse, die meines Wissens in der Tat in dieser Form eines Lehrbuches einzigartig ist. Dies stellt eine große Leistung dar. Natürlich kann diese Darstellung historische und systematische Darstellungen, aber auch Analysen oder Empfehlungen, wie sie in dem Sammelband von Stephan Böckenförde 2005 geliefert wurde, nicht ersetzen.
Fazit
Punktabzug gebe ich vor allem deshalb, weil die Literaturliste unvollständig ist und zahlreiche im Text zitierte Literaturangaben in dieser Liste fehlen. Inhaltlich vermisse ich - wie oben dargestellt - eine Analyse der Außenpolitik unter der systemischen Theorie des Liberalismus. Angesichts der Fokussierung auf außenpolitische Theorieansätze ist dies ein wirkliches Manko. Außerdem ist das Kapitel über die politische Kultur der Zurückhaltung arg kurz gehalten. Hier wäre es wünschenswert, eine Neuauflage entsprechend zu erweitern. Ansonsten: lesenswert.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne
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Handbuch zur deutschen Außenpolitik von Gunther Hellmann, Siegmar Schmidt, Reinhard Wolf

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 22. April 2006

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