Gregor Tessnows Debüt erinnert an Jugendroman von Zoran Dvenkar, der auch das
Vorwort zum vorliegenden Roman beigesteuert hat. Dieser ist jetzt mit D. Buck in
der Hauptrolle auch erfolgreich verfilmt worden.
Kurz gesagt: ich habe selten ein so schonungsloses Buch eines deutschen Autors
über Jugend- und Bandenkriminalität gelesen wie das von Gregor Tessnow. Es
geht buchstäblich unter die Haut. Der 15-jährige Michael kommt sich vor wie im
falschen Film. Seine Mutter wird vom frustrierten reichen Liebhaber aus der
Wohnung geschmissen und damit beginnt der Umzug in eine Bruchbude in Berlin.
Michael kommt auf eine neue Schule, in der er sofort terrorisiert wird und
gerät auf die schiefe Bahn. Er wird Drogenkurier und die Story endet letztlich
- mit Mord. Tessnow hat erzählt, dass diese Geschichte - wegen des sehr
brutalen Endes - eigentlich nicht gedruckt werden sollte, doch schließlich fand
sich der Ueberreuter-Verlag doch dazu bereit. Die Tendenz der Jugendliteratur,
etwa auch in den neuen Werken von Morton Rhue ersichtlich, kein "Happy
end" zuzulassen, ist auch hier überdeutlich. Das Phänomen der
Jugendkriminalität wird jedoch hier nicht nur beschrieben, es wird erklärt.
Der Leser kann mit Michael mitleiden und dürfte volles Verständnis für ihn
haben. So traurig und brutal es ist: ich finde es gut, dass es kein "Happy
end" gibt. Der Roman gewinnt dadurch an Authentität - man hat das Gefühl,
der Autor kenne den Jungen oder habe ähnliche Situatonen schon erlebt.
Sozialkritische Themen, bereits in den 1970-ger Jahren durch H.-G. Noacks
"Rolltreppe abwärts" oder etwa in den Werken von Miriam Pressler
thematisiert ("Bitterschokolade") scheinen wieder verstärkt in den
Blickfeld der Jugendliteratur zu geraten. Bei diesem Werk lohnt sich die
Lektüre, wenn mir auch an einigen Stellen die Schwarz-Weiß-Zeichnung der
Charaktere - hier die Guten, dort die Bösen - etwas zu penetrant geraten ist.
In jedem Fall ein nachdenkliches, aufrüttelndes und lesenswertes Buch für all
diejenigen, die auch gerne die Titel von Janka Frey und Zoran Drvenkar lesen.
Fazit
In jedem Fall dürfte das Werk unter die Haut gehen, wobei immer deutlicher
wird: einfache "Lösungen", wie in unserer multikulturellen
Gesellschaft Gewalt und Jugendkriminalität einzudämmen sind, gibt es nicht und
dies deutlich zu machen, dazu trägt dieser wichtige Jugendroman bei
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 18. März 2006 2006-03-18 00:58:38