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Raymond Kaugver: Was heisst hier schuldig?

Was heisst hier schuldig?

von Raymond Kaugver
Verlag: Volk und Welt [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Jugendroman
ISBN-13 978-3-353-00510-6

Preis: 2,53 Euro bei Amazon.de [Stand: 20. November 2024]
Jugendkriminalität kannte man bislang hauptsächlich aus dem Westen. Rußland und der frühere Ostblock wurden zwar mit mafiöser Kriminalität verbunden und sicherlich ist auch bekannt, dass im Zuge der sozialen Umbrüche seit 1985 auch die Jugendkriminalität zugenommen hat. Aber dass dieses Thema bereits 1990 durch einen estnischen Autor thematisiert - und zwar äußerst packend thematisiert worden ist, dies war neu. Um es gleich zu sagen: dies ist einer der beeindruckendsten Jugendromane, die ich gelesen habe. Im Gegensatz zu zahlreichen westlichen "Vorbildern", etwa "Fänger im Roggen" oder dem jetzt verfilmten Buch: "Knallhart" ist es hier der vollkommen verunsicherte Vater, der fassungslos mit ansehen muss, wie sein Sohn Vahur, in den er allen Stolz gesetzt hat, zusammen mit einer Clique gleichaltriger und älterer Freunde ein älteres Ehepaar zusammenschlägt, als diese mit der Clique wegen einer Nichtigkeit zusammengeraten. Der alte Mann stirbt - aufgrund eines Fußtritts von Vahur. Wie konnte der behütete Sohn zum Verbrecher werden? Wer trägt die Schuld? Der Vater, der dem Sohn ein Vorbild sein wollte - und es letztlich nicht war? Die Mutter, eher hysterisch veranlagt, der Sohn selber? Warum war es der Sohn, der zum Mörder wurde? Fragen über Fragen, die sich in diesem packenden Roman stellen. In Form von Rückblenden schildert der - ratlose - Vater das Leben des inzwischen 18-jährigen schuldigen Sohnes und sucht nach der Ursache der Tragödie. Um es gleich zu sagen: es gibt keine befriedigende eindimensionale "Lösung", die Ursachensuche gestaltet sich komplex. Zurück bleibt Leere, Verzweiflung und ein sehr bitteres Ende - es kommt zur völligen Entfremdung zwischen Vater und Sohn. Der Roman ist bereits 1990 erschienen; durch Zufall ist er mir neulich in der Bibliothek wieder in die Hand gefallen; ich habe ihn zum zweiten Mal gelesen und war von ihm so gepackt wie beim ersten Mal; die Probleme der anonymen Massengesellschaften, Ratlosigkeit im Umgang mit Generationen, Fragen nach Fehlern in der Erziehung werden schonungslos gestellt, wobei nicht zu übersehen ist, wie der Vater Schuld von sich "wegzudrängen" sucht und trotzdem die Wahrheit erkunden will. Gibt es diese überhaupt? Wer ist Schuld an der Tragödie? Dies sind Fragen, die nicht nur in ähnlich gelagerten westlichen Titeln thematisiert worden sind, wie der vorliegende Roman - ist es ein Adoleszenzroman, ist es ein Kriminalroman, ein sozialer Roman (er entzieht sich meines Erachtens der eindeutigen Kategorisierung) - in eindringlicher Weise stellt.
Fazit
Ein sehr eindrucksvolles Buch, eines der wenigen, welches mich nicht mehr losgelassen hat und wohl nie mehr loslassen wird.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 18. März 2006

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