Anka Muhlstein hat in ihrer flüssig zu lesenden Doppelbiographie das Leben der
beiden Königinnen Elisabeth I. und Maria Stuart packend und fesselnd
dargestellt. Dabei stützt sich die Autorin, wie die umfangreiche Bibliographie
zeigt, auf den neuesten Forschungsstand.
Elisabeth I., als Bastard verschrien, da sie die Tochter Heinrichs VIII. aus
seiner Ehe mit der enthaupteten Anna Boleyn war, wuchs unter Lebensgefahr am
Hofe auf, die sich verstärkte, als Heinrich VIII. am 29. Januar 1547 starb. Sie
musste sich verstellen, um während der Herrschaft ihrer Schwester Maria der
Katholischen 1553-1558 nicht ermordet zu werden. Doch sie überlebt diese Zeit,
wird als Elisabeth I. deren Nachfolgerin und ordnet die Interessen ihres Landes
strikt ihren persönlichen Interessen unter. So weigert sie sich, zu heiraten
oder sich in einen Krieg auf dem europäischen Kontinent hineinziehen zu
lassen.
Im Gegensatz dazu hat Maria Stuart, die schottische Königin, niemals die
Interessen ihres Landes bedacht und handelt ohne politischen Verstand, wobei sie
vor Mord und Intrigen - unter anderem an ihrem Ehemann Darnley nicht
zurückschreckt. Schließlich muss sie vor ihren Gegnern nach England fliehen.
Dies tut sie, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass Elisabeth keinen
Bürgerkrieg in England haben wollte und eine katholische Königin, die als
Thronprätendentin Anspruch auf ihren eigenen Thron erhoben hätte. Maria wird
eingekerkert und nach einem geplanten Attentat auf Elisabeth 1587 zum Tode
verurteilt und hingerichtet. Damit war Elisabeth I. auf Dauer die gefährliche
Rivalin losgeworden, die während ihrer ganzen Gefangenschaft einen
"verhängnisvollen Mangel an Wirklichkeitssinn" bewiesen hatte.
Allerdings hatte die Hinrichtung der schottischen Königin schwerwiegende
Folgen: so wurde erstmals ein Souverän von einem anderen hingerichtet, das
Gottesgnadentum der monarchischen Herrschaft damit in Frage gestellt. Somit
wurde mit der Ermordung Maria Stuarts ein weitreichender Präzedenzfall
geschaffen, der später die Verurteilung und Ermordung Karls I., des Enkels von
Elisabeth I. ebenso ermöglichte wie die Todesurteile für Ludwig XVI. von
Frankreich und seiner Gemahlin Marie-Antoinette.
Anka Muhlstein stellt sich in dieser Biographie jedoch eindeutig auf Seiten der
englischen Königin. Im Gegensatz zu früheren Biographen von Maria Stuart, etwa
Stefan Zweigs, sieht sie in Elisabeth nicht das unheilvolle Monster, welches
ihre Cousine ermordete, sondern die Königin, die den Bürgerkrieg verhinderte.
"Man konnte ihre [Elisabeths, B.N.] Entscheidung in moralischer Hinsicht
anzweifeln;...doch man konnte unmöglich bestreiten, daß sie in politischer
Hinsicht recht hatte, als sie Maria aus dem Weg räumte. Nach den Wirren, die
von ständigen Komplotten und fortwährenden Bedrohungen geschürt wurden,
kehrte Ruhe ein." Nach dem Sieg über die spanische Armada 1588, die zum
großen Teil ebenfalls der Umsicht Elisabeths zu verdanken war, erlebte England
innen- und außenpolitisch eine Blütezeit und der realistischen,
"jungfräulichen" Königin, die in Filmen - etwa der großen Bette
Davis von 1955 - unsterblich wurde.
Diese Rehabilitierung Elisabeths und kritische Distanzierung von Maria Stuart
prägt die vorliegende Biographie. Sie orientiert sich aber an den historischen
Fakten und rückt von der ungerechtfertigten Glorifizierung Maria Stuarts, wie
sie etwa Schillers Drama oder Zweigs Biographie prägten, die kritisch am Ende
(S. 309-311) reflektiert werden, ab. Und dies ist - neben dem flüssigen und
angenehmen Lesestil, äußerst wohltuend.
Fazit
Wer historisch getreu und mit einem Mindestmaß an Objektivität über diese
beiden Frauen auf heutigem Forschungsstand gut informiert werden möchte, der
greife zu diesem eindrucksvollen Buch, bei dem auf rund 320 Seiten alles
Wesentliche zu beiden Frauen gesagt wird. Unbedingt lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 11. März 2006 2006-03-11 18:53:54