"Achte auf deine Gedanken..." mit dieser Weisheit aus dem Talmud
führt Frank Beuster - Vater von zwei Söhnen, Lehrer, Vertrauenslehrer und
Seminarleiter - in sein Thema ein und kommt im Verlauf des Buches immer wieder
darauf zurück. Anschauliche Beispiele aus der Praxis illustrieren die
Lebensbedingungen männlicher schulpflichtiger Deutscher.
Die nackten Fakten: 20% aller Mütter erziehen allein, 80% der Kinder, für die
Erziehungsberatung gesucht wird, sind männlich, 50% aller Männer unter 24%
leben noch bei den Eltern. Vielen Jugendlichen bietet eine verstädterte
Umgebung keine Erfahrungsräume mehr, in denen Grenzen ausgetestet werden
können. Beuster sieht sich in seiner Familie wie bei seinen Lesern als
Dolmetscher zwischen der Mama-Taubheit von Söhnen und der
"empfindlichen" Reaktion von Müttern und Lehrerinnen darauf. Der
Autor beschreibt die bis zur Hausmeisterin komplett weibliche Umwelt, die vieles
im Leben eines Jungen nicht nachvollziehen kann und offen ablehnt. Mädchen sind
der Maßstab, an dem Jungen gemessen werden. Die Anforderungen erweisen sich in
allen Bereichen als zu hoch. Mädchen werden für Lesekompetenz, feinmotorisches
Geschick und soziales Verhalten gelobt. Überforderte Jungen stören und werden
bestraft. Gelegenheit, körperlich zu arbeiten und grobmotorische Fertigkeiten
zu trainieren - wie Traktorfahren auf dem elterlichen Hof - haben nur wenige;
andere Beschäftigungen, die ihr Selbstbewusstsein stärken könnten, ebenso
wenige. Ausführlich kritisiert der Autor den Rückzug Jugendlicher in
virtuelle Welten und beisst sich dabei an Lehrer-typischen Feindbildern fest:
Computerspiele, Trading Cards und Klamotten. Vom Chaos in der Schultasche
schließt er auf Chaos im Kopf und die Unfähigkeit zu organisiertem Lernen.
Auf die Überlegenheit der Mädchen und die Forderungen ihrer Lehrerinnen
reagieren männliche Schüler zuerst mit Auffallen, später mit Aussteigen oder
Gewalt. Kurzfristig mag Leistungsverweigerung schick sein, doch immer mehr
Jungen finden aus der Rolle des Outlaws nicht mehr rechtzeitig zurück, um noch
Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Schülerinnen lehnen gemischte
Arbeitsgruppen ab, in denen die Mädchen arbeiten und die Jungen Unfug treiben.
Erwachsene Frauen wünschen weder Stimmungstöter, die im Kino mit pseudo-coolen
Sprüchen nerven, noch phlegmatische Partner im Alltag. In der täglichen
Erziehung sind es hauptsächlich Frauen, die Macho-Allüren im Zaum halten und
Konflikte in Schule und Freizeit lösen sollen. Sie haben es dabei mit
Gesprächpartnern zu tun, die Kritik grundsätzlich nicht akzeptieren, sich für
besser als andere Menschen halten und den eigenen Anteil an Konflikten nicht
wahrnehmen können ("Das bisschen Treten ist doch nicht schlimm").
Beuster bietet als Ausweg aus der Misere einen "Vitamin B3-Komplex"
(Bewegung, Beziehung, Bewusstsein) und sein "Drei-R-Geheim-Rezept"
(Regeln, Rhythmen, Rituale) an.
Deutsche Bildungspolitiker scheinen die männlichen Defizite bisher vollständig
ignoriert zu haben. Sie werden erst durch Gewalt und Straftaten an Schulen
aufmerksam. Die Fakten liegen vor, jetzt müssen Eltern, Schule und Politik
aufhören, den Schwarzen Peter zwischen sich hin und her zu schieben.
Fazit
Dem gut recherchierten und lesenswerten Buch wünsche ich, dass es bei
Elternabenden in jedem Kindergarten und jeder Schule diskutiert wird.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 03. Februar 2006 2006-02-03 15:26:18