Die Generation Grönemeyer wuchs mit den Geschichten von "Näpfli dem
Blutkörperchen" auf, das durch den menschlichen Körper reist und dabei
Interessantes entdeckt. Im dritten Jahrtausend reist Grönemeyers Hauptfigur
Nano als erster Korponaut der Welt in einem blutkörperchenförmigen Fahrzeug
durch den Körper. Der 12-jährige ist engagierter Schul-Sanitäter und will
später Arzt werden. Seine Großmutter schöpft aus einem großen Schatz an
Hausmitteln und verwickelt Nanos Familie in heftige Diskussionen über Sinn und
Wirkung der Schulmedizin. Nach dem Sportunfall eines Klassenkameraden trifft
Nano in der Praxis des Dr. Xiang dessen schrille Assistentin Micro Minitec. In
Micros Turbobeamer wird Nano versehentlich auf die Größe eines Nano-U-Bootes
geschrumpft und in einen abenteuerlichen Kampf gegen den fiesen Gobbot
verwickelt, der sich im Körper von Nanos Opa eingenistet hat.
Dietrich Grönemeyer forderte bei seinen Auftritten in verschiedenen Medien,
dass moderne High-Tech-Methoden der Medizin mit einer liebevollen, persönlichen
Beziehung des Arztes zum Patienten kombiniert sein müssen.
Die hohen Erwartungen an das erste Kinderbuch des Lehrstuhlinhabers für
Radiologie und Mikro-Therapie erfüllen sich nicht. Die Abenteuer-Handlung ist
mit teils ganzseitigen Fotos und Abbildungen aufwändig illustriert. Omas
Hausrezepte sind durch ein Oma-Symbol markiert, die ärztlichen Erläuterungen
durch ein Nano-Symbol; es gibt technische, anatomische und therapeutische
Beiträge. Die Erklärungen in farbig hinterlegten Kästen sind meist länger
als eine halbe Buchseite, stören den Lesefluss und haben häufig keinen Bezug
zur Handlung. Die Formulierungen sind für jüngere Kinder zu abstrakt, für
Schüler, die den Körper schon im Unterricht durchgenommen haben, zu allgemein.
Dort wo zusätzliche Information gefragt wäre, fehlt ein Verweis auf die Seite
mit der ausführlichen Erklärung.
"Was ist eigentlich eine Ohnmacht?... Ältere Menschen und Kinder in der
Pubertät leiden häufig darunter. Manchmal sackt ihr Blutdruck in den Keller,
das heißt, die Werte liegen deutlich unter normal." (Seite 254) Welcher
Keller, welche Werte, welche davon sind normal? fragen sich die Leser. Zwei
Seiten später folgt die Erklärung des Blutdrucks, auf Seite 352 finden sich
die Normalwerte. Kein Verweis verbindet diese drei Textabschnitte zum gleichen
Thema. Der Original-Ton Grönemeyer ist nicht für alle Kinder und Jugendlichen
verständlich. Für Leser, die ein Lesepensum von 360 Seiten bewältigen
können, sind die Erklärungen zu allgemein. Aussagekräftige Abbildungen (z. B.
die Wirbelsäule auf Seite 237) mit knapper, übersichtlicher Beschriftung
könnten die Info-Kästen ersetzen. Großmutters Rezepte sollten über das
Register erschlossen sein, so dass ein Rezept auffindbar ist, wenn unter dem
Beschwerdebild nachgeschlagen wird.
Fazit
Die Kombination aus Unterhaltung und Information hat mir nicht gefallen. Für
thematisch interessierte Leser ist das Buch zu umständlich in der Handhabung,
für Abenteuer-Leser bringt es zu viel Ablenkung.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 29. Januar 2006 2006-01-29 11:01:57