Die 1994 verfasste Duographie (es handelt sich hierbei um einen Vergleich zweier
Persönlichkeiten) stellt die beiden russischen Zaren vor, die Rußland zur
Weltmacht führten und aus dem entstehenden Moskauer Reich ein Imperium machten.
Das Buch hat insgesamt 131 Seiten, wobei Iwan dem Schrecklichen 64 Seiten, Peter
dem Großen 60 Seiten gewidmet sind. Fußnoten oder weiterführende Literatur
fehlen. Geeignet ist das Buch daher als Erstinformation. Für eine genauere
Beschäftigung mit den beiden Zaren sind ausführlichere Biographien bzw. Werke
zur russischen Geschichte heranzuziehen. Für Iwan den Schrecklichen etwa
Biographien von Carr, Payne-Romanow oder Hellmann (eine hervorragende
biographische Zusammenfassung in dem Buch "Warum wurden sie Despoten?"
von
Gisbert Kranz), für
Peter den Großen existieren zahlreiche Biographien, etwa von Henri Troyat oder
Robert K. Massie. Ein hervorragendes Kurzportrait Peters I. findet sich auch in
der (hervorragenden) Gorbatschow-Biographie von Christian Schmidt-Häuer aus dem
Jahre 1985.
Fazit: Im Gegensatz zu Peter dem Großen hätten die ärmsten Untertanen Iwan
dem Schrecklichen durchaus vertraut. Iwan habe diejenigen gerichtet, von denen
das Volk sich unterdrückt und ausgebeutet fühlte (S. 112), gegen den
Radikalreformer Peter hätten sie rebelliert, die Unzufriedenheit mit diesem sei
größer gewesen als je zuvor.
Mit diesem - zutreffenden - Diktum befindet sich Neumann-Hoditz in
Übereinstimmung mit der seriösen Geschichtsschreibung. 4/5 der Staatsfinanzen
verwendete Peter I. für Militärausgaben, die er mit zahlreichen Steuerarten
(Bartsteuer etc.) und der für seine zahlreichen Kriegsjahre (in 35
Regierungsjahren gab es kein einziges Friedensjahr, S. 134) immer neue
Bevölkerungsguppen zum Waffendienst zwang. Tim Guldiman hat in seinem Buch
"Moral und Herrschaft in der Sowjetunion" (Suhrkamp, 1984) bilanziert:
"Im Gegensatz zu Iwan dem Schrecklichen, der mit seiner Terrorpoliik gegen
die Bojaren und Handelsstädte vor allem den gesellschaftlichen Mittelbau
ausschaltete und sich dabei teilweise der Unterstützung der Massen erfreute,
war Peter der Große im Volk sehr verhaßt."
Dieses Fazit teilt auch Neumann-Hoditz. Peter der Große, der Rationalist, habe
sich nie um die Meinung des Volkes gekümmert, in seiner Welt seien die
Beherrschten nur Mittel zum Zweck gewesen. Bei seinem Tode habe es
Manifestationen der Erleichterung und Freude gegeben. Groß sei Peter nur zu
nennen, da er in seiner Zeit aufgrund seiner enormen Energie und Willenskraft
bedeutende Änderungen bewirkt habe, die heute noch Bestand hätten. Iwan der
Schreckliche habe durch seine Umgestaltung die traditionelle bojarisch-feudale
Gesellschaftsstruktur erschüttert, das Staatsbewßtsein der Russen gestärkt.
Ab 1760, nach dem Tode seiner Frau, habe er zunehmend unter Vefolgungswahn
gelitten (S. 36) und sich - wie Stalin nach dem Tode seiner Frau) zu einem
grüblerischen, unberechenbaren und düsteren Despote entwickelt, der auch vor
Rache an Familienangehörigen seiner Feinde, etwa seines früheren Beraters
Adaschew, nicht zurückgeschreckt sei - auch hier eine Parallele zu Stalin.
Fazit
Insgesamt eine anregende Lektüre, die manchmal etwas strukturieter sein
könnte, insgesamt jedoch aufgrund der aktuellen Entwicklung im heutigen
Rußland unter dem aus St. Petersburg stamenden Putin, der Peter den Großen als
Vorbild verehrt, die Präsidialmacht stärkte und eine Verwaltungsreform in
Anlehnung an Peter den Großen durchführte, nichts an Aktualität verloren hat.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 01. Januar 2003 2003-01-01 00:00:01