Die deutsche Außenpolitik steht vor großen Herausforderungen. Nach dem Ende
des Ost-West-Konfliktes, der Wiedervereinigung, der Herausforderungen durch den
Terrorismus ist die Welt in Bewegung geraten. Wie stellt sich die deutsche
Außenpolitik darauf ein? Welche Empfehlungen können Politikwissenschaftler den
außenpolitischen Akteuren mit auf den Weg geben? Diese Fragen behandelt der
jetzt - nach der Bundestagswahl 2005 - erschienene Sammelband. Er enthält
knappe, in der Regel rund 5-10-seitige Beiträge von Experten im Politikbereich
"Internationale Beziehungen." Sie geben einen guten Einblick in
Probleme der deutschen Außenpolitik.
Die Außenpolitik der Regierung Schröder/Fischer wird - insbesondere, was das
Verhältnis zu den USA angeht, weitgehend kritisch gesehen. Exemplarisch stehen
hierfür der Bonner Politikwissenschafter Christian Hacke, der sich in seinen
Publikationen sowohl mit der Politik der USA im 21. Jahrhundert wie auch mit der
deutschen Außenpolitik schwerpunktmäßig beschäftigt und der Jenaer
Politologe Dr. Helmut Hubel. Sie kritisieren insbesondere die mangelnde
Diplomatie im Umgang mit den USA im Irak-Konflikt, der zu schweren Spannungen im
transatlantischen Verhältnis geführt habe. Sie stehen damit in Einklang mit
dem Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Hans-Peter
Schwarz, der in seinem jüngsten Buch: "Republik ohne Kompass" den
Mangel an strategischem Denken in der deutschen Außenpolitik - bezogen auf die
gesamte politische Klasse - kritisiert und Lösungsvorschläge gemacht hat. Auch
die Mehrheit der hier versammelten 23 Aufsätze sieht dies so. "In
Augenblicken der Krise schlägt die Stunde der Politikberatung" erklärt in
seiner Einleitung der Herausgeber Stephan Böckenförde. Der Band versteht sich
daher als "Beitrag der Politikwissenschaft zur Diskussion über
Perspektiven der deutschen Außenpolitik." Die Beiträge sind daher kurz,
prägnant und enthalten alle auch konkrete Empfehlungen für die politischen
Akteure. Dies ist im großen und ganzen gelungen, wenn auch eine verbindliche
einheitliche Gesamtstrategie diesen Beiträgen nicht zu entnehmen ist. Die
Autoren - und darin liegt der Reiz der Veröffentlichungen - stammen nicht aus
einer "Schule", was zu teilweise kontroversen Auffassungen führt.
Allen Beiträgen gemeinsam ist aber die Erkenntnis, dass in der globalisierten
Welt große Veränderungen bevorstehen und - so Dirk Messner - die kommende
Weltordnung nicht unilateral, sondern durch die Weltmächte USA, China und
Indien bestimmt werden, wir es also mitmultilateralen und instabilen
Machtkonstellationen zu tun haben werden, auf die sich die deutsche
Außenpolitik einzustellen hat. Welche Stärken und Schwächen die deutsche
Außenpolitik kennzeichnen, charakterisiert am genauesten Hanns W. Maull in
seinem Memorandum an den - amtierenden - Bundeskanzler Schröder vom 2. Oktober
2005. Doch auch seine mutmaßliche Nachfolgerin, Angela Merkel, sollte diese
Empfehlungen genau durchlesen und befolgen. Wichtig ist - angesichts der
Herausforderungen - auch eine wirtschaftliche Gesundung Deutschlands. Nur dann
wird eine Aufstockung des Verteidigungsetats möglich sein, der notwendig ist,
damit die Bundeswehr den veränderten weltpolitischen Herausforderungen
gewachsen ist. So haben Gunther Hellmann und Reinhard Wolff festgestellt, dass
sich die anteiligen Ausgaben am Bundeshaushalt für die Felder der Außenpolitik
seit der Vereinigung 1990 von 21,5% auf knapp über 12% reduziert haben. Diese
Krise verringert nicht nur die materiellen Mittel, die für internationale
aufgaben bereitgestellt werden können, sie beeinträchtigen auch die "soft
power" des Landes, seine internationale Vorbildwirkung. Dasselbe
konstatiert Hans-Peter Schwarz in seinem oben erwähnten Buch. Gerade daher
sollten - wie Gunther Hellmann korrekt bilanziert - überambitionierte Ziele der
deutschen Außenpolitik - das aus meiner Sicht völlig unsinnige Streben nach
einem deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat aufgegeben und zu der bewährten
"Kultur der Zurückhaltung" zurückgekehrt werden, die den
Möglichkeiten der deutschen Außenpoltik in der wirtschaftlichen Situation, in
der sich das Land befindet, eher entspricht. Deutschland sollte daher in der Tat
spannungsreiche 2nationale" Interessen ausgleichen, da internationale
Aufwendungen reduziert werden können, je weniger diese Politik durch ein
"Wir sind wieder wer!" in Frage gestellt wird.
Fazit
Spannende Fragen, die eine Debatte lohnen. Leider sind mir manche Aufsätze
etwas zu kurz geraten. Wer hier "Abhilfe" sucht, dem seien zwei
wichtige Sammelbände zur Deutschen Außen- und Sicherheitspolitik aus dem
Nomos-Verlag in Baden-Baden empfohlen: "Deutschland im Abseits?" sowie
der Folgeband: "Deutsche Sicherheitspolitik", der einige Fragen, etwa
Proliferation, Bundeswehr genauer und wissenschaftlich gründlicher untersucht,
als dies der vorliegende Band tut. Aber als erste Einführung und als
Politikberatung lohnt sich das vorliegende Werk auf jeden Fall.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 21. Oktober 2005 2005-10-21 19:40:04