Es ist eine einfühlsame Liebesgeschichte, die Waldtraut Lewin in ihrem Buch
"Samoa" erzählt. Nach sieben Jahren Aufenthalt in Berlin kehrt der
18-jährige Adam Landmann in das geliebte Land seiner Kindheit zurück, nach
Samoa. Dort wird er von seinem Vater, einem evangelischen Pfarrer, der Mutter,
seinem jüngeren Bruder Albrecht - und von einem Mädchen erwartet. Zunächst
erinnert sich der Jüngling nicht an den Namen dieser wunderschönen jungen
Frau. Doch dann fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Es ist Moana,
Spielgefährtin seiner Kindertage, mit der er bis zu seiner Rückkehr ins Reich
unzertrennbar verbunden war.
Wie sollte es anders sein, die beiden jungen Leute verlieben sich. Und setzen
ihre Liebe gegen alle widrigen Umstände der Zeit durch. Er, Sohn eines
Deutschen, sie, Tochter eines eingeborenen Häuptlings - das ist im Jahr 1904
alles andere als gern gesehen und gute Basis für eine Beziehung. Doch die
beiden jungen Leute entscheiden sich für ihre Liebe - und müssen schließlich
einen Weg gehen, der ihnen so nicht vorgezeichnet war.
Wer die Bücher Waldtraut Lewins kennt, der weiß, dass es keinen Roman gibt,
der nicht auch Geschichtliches aufarbeitet.
In dem Buch "Samoa" ist es nun also die Zeit der Deutschen
Schutzgebiete, die Zeit der Kolonisation, des Sendungsbewusstseins der
Deutschen: Von 1900 bis 1919 standen die Samoa-Inseln Upolu - hier spielt die
Handlung des Romans - und Sawaii unter deutscher Verwaltung. Doch es sind nicht
nur Ort und Zeit, die Lewin neu zum Leben erweckt. In ihrem Buch ist es
Gouverneure Solfs, der mit weisen Entscheidungen die Region friedvoll lenkt -
und dieser Gouverneure ist eine historisch verbürgte Person.
Trotzdem spricht die Schriftstellerin in ihrem Nachwort davon, dass es sich bei
dem Buch um einen Liebesroman und kein Geschichtenbuch über deutschen
Kolonialismus handelt. Und sie hat Recht. Zwar sind die historischen Details an
jeder Stelle des Buches zu spüren - und ohne sie gäbe es die Liebesgeschichte
wahrscheinlich auch gar nicht - und trotzdem fühlt man sich als Leser alles
andere als belehrt.
Hinzu kommt, dass sich in Adam eine Persönlichkeit entfaltet, die schon in
jungen Jahren für das einsteht, wofür er verantwortlich ist. Ein junger Mann,
der mit 18 Jahren dem gestrengen Vater die Stirn bietet und sich mit geradem
Rücken und klarem Geist dessen Anweisungen widersetzt. Der genau weiß, dass er
Pianist und nicht Jurist werden will, denn diese Laufbahn möchte der Vater ihm
aufdrängen.
Der, obwohl er in Bezug auf Moana, seiner erste große Liebe, eine falsche
Entscheidung trifft, sich trotzdem der damit verbundenen Wirklichkeit nicht
entzieht. Und die ist für beide nicht einfach zu tragen! Adam ist eine
Romanfigur, die aber nicht verklärt positiv dargestellt wird, sondern auch ihre
negativen Seiten hat. Nicht zuletzt neigt Adam Landmann, ähnlich wie sein
Vater, zu jähzornigen Ausbrüchen, die er manchmal nur schwer unter Kontrolle
hat.
Und Moana, die Taupu, die Ehrenjungfrau ihres Volkes? Sie ist eine
selbstbewusste junge Frau, die ebenfalls genau weiß, was sie will: den Mann,
den sie liebt und für den sie schließlich ihr ganzes bisheriges Leben aufgibt.
Fazit
Der Roman hat ein Happy End - und hat doch keines. Denn was die beiden jungen
Menschen in der Zukunft erwartet, bleibt im Verborgenen.
Doch der Leser erfährt, dass es für keinen der Beteiligten leicht werden wird:
Schon die Tatsache, dass Moana bis zu ihrer Abreise niemals Schuhe getragen hat,
zeigt, welche Schwierigkeiten die Zukunft für zwei Menschen aus sehr
unterschiedlichen Kulturkreisen bringen kann. Kann Liebe wirklich alle Probleme
überwinden? Eine Frage, die offen bleibt...
Vorgeschlagen von Martina Meier
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veröffentlicht am 17. Oktober 2005 2005-10-17 20:15:52