Steilküste - nach der Lektüre nimmt sich der Titel des Buches seltsam lapidar
aus. Lapidar, wenn man versucht, die Ungeheuerlichkeiten dessen zu begreifen,
was der Roman nach-erzählt: noch nach Hitlers Selbstmord und dem Ende des
Zweiten Weltkrieges mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands wurden an
jungen Soldaten wegen Fahnenflucht Todesurteile vollstreckt. Im Buch verlassen
zwei junge Marinesoldaten, die wenige Tage vor Kriegsende zum aussichtslosen
Endkampf um Berlin abkommandiert werden, auf der besetzten dänischen Insel
Fünen ihre Truppe, um zu Fuß nach Hause zu gelangen. Sie werden gefangen
genommen, nach Deutschland transportiert und zwei Tage nach Kriegsende
erschossen. Bumm. In Anlehnung an den realen Fall schrieb Jochen Missfeldt einen
Roman, der sowohl in literarischer als auch in dokumentarischer Hinsicht
Maßstäbe setzt. Eher unauffällig meistert er die sprachliche und stilistische
Herausforderung, die die Aufarbeitung der ungeheuerlichen Geschehnisse verlangt.
Er scheut sich vor lyrischen Beschreibungen ebenso wenig wie vor Archivauszügen
und Zitaten aus Briefen oder Tagebüchern, und schafft es, diese
gegensätzlichen Mittel zu einem homogenen Gemisch von eindringlicher Dichte zu
verschmelzen. Auch in historischer Hinsicht nimmt er sich des wahnwitzigen
Kriegsverbrechens in beispielhafter Weise an. Er versucht zu verstehen oder
wenigstens nachzuvollziehen, nicht anzuklagen. Der 1941 in Schleswig-Holstein
geborene Autor, ein ehemaliger Starfighter-Pilot der Bundeswehr, ist nicht nur
studierter Musikwissenschaftler, Philosoph und Volkskundler, sondern auch ein
herausragender Schriftsteller.
Fazit
Spannend, authentisch, kraftvoll - lesenswert!
Vorgeschlagen von Annette Rieck
[Profil]
veröffentlicht am 22. Juli 2005 2005-07-22 19:46:29