Der vorliegende Harry-Potter-Roman ist meines Erachtens gut gelungen. Zum Inhalt
sei, da die deutsche Ausgabe noch nicht erschienen ist, nicht allzu viel
verraten. Nur so viel: Es gibt aus meiner Sicht ein Thema des Buches: die lange
Vorbereitung im Endkampf mit Voldemort. Daher auch die zahlreichen
Handlungsfäden, die sich mit der Vergangenheit dieser Zentralfigur
beschäftigen. Harry, Ron und Hermine müssen auf die endgültige
Auseinandersetzung mit ihm vorbereitet werden. Dieser Band erinnert mich sehr
an den "Herrn der Ringe", da sich Voldemort in verschiedene Seelen
aufteilt, die gefunden werden müssen, um zerstört zu werden. Die Ähnlichkeit
dieses Bandes mit der Tolkienschen Trilogie ist frappierend. Endlich endlich
klären sich verschiedene Dinge - etwa die Rolle Snapes und damit verbundendie
Frage, warum Dumbledore zu ihm Vertrauen hat (mehr sei hier nicht verraten).
Dennoch gibt es auch Überraschungen: die Figur Malfoys scheint - mehr soll
auch in diesem Fall nicht verraten werden - komplexer zu sein als bisher
angenommen. Auch die von manchen Rezensenten als überflüssig empfundene
Szenerie in Kapitel 1, der Einbeziehung des "Muggle"-Premierministers
in das Geschehen, scheint mir notwendig und schlüssig zu sein. Warum, so kann
man sich zunächst fragen, wird er von Fudge und seinem Nachfolger über die
Ereignisse in der Zauberergemeinschaft informiert? Ich glaube, dies liegt daran,
dass der Kampf gegen Voldemort und das Böse alle Kräfte vereinen muß - ein
Motiv, welches bisher am deutlichsten im "Feuerkelch" anklang.
Nicht überzeugt - und daher nur mit acht Punkten bewertet - hat mich allerdings
die Begründung, warum Dumbledore Snape vertraute. Doch dies gilt ebenso für
Lupin und andere Mitglieder des Phoenix-Ordens. Mehr sei hierzu nicht verraten.
Nur etwas: Die Autorin Joanne Rowling hat jedoch in ihrem einzigen Interview
nach Erscheinen des "Halbblutprinzen" in Edinburgh am 16.07.2005 dazu
erklärt, es werde zu diesem Thema im kommenden Band mehr Informationen geben
(siehe das Interview mit ihr auf http//www.harrypotter-xperts.de/). Diese sind
auch absolut notwendig, denn durch die - endlich erfolgte - Klärung
insbesondere der Rolle von Professor Snape - dies kann gesagt werden ohne zuviel
vom Inhalt preiszugeben - verlieren einige Handlungsstränge aus früheren
Bänden, insbesondere in Band 1 - ihre bisherige "Eindeutigkeit" -
hatte Snape Harry wirklich in Band 1 das Leben gerettet oder war dies eine Lüge
Quirrels? Snape hatte doch echten Respekt vor Dumbledore als Zauberer - dies
wird ja im 2. Kapitel des vorliegenden Buches auch deutlich - aber dann kommt
dieses Ende. Snapes Figur wird - dies ist aus meiner Sicht eher zu bedauern -
"eindimensional" und verliert viel von ihrer bisherigen
Differenziertheit. Dies ist aber wohl die Folge aus der notwendigen Klärung der
Fronten, die auch aus meiner Sicht nicht länger aufgeschoben werden konnte.
Dennoch zeigt sich gerade hier in aller Deutlichkeit ein Grundmotiv aller
bisherigen Bände: Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Und
dies macht Harry Potter bis zum Ende spannend, wenn dies auch manchmal,
insbesondere in den Bänden 3 und 4, auf Kosten der Geradlinigkeit und
Glaubwürdigkeit geht. Unter diesem Mangel leidet Band 6 jedoch nicht. Er
schafft in vielen Punkten Klarheit und Eindeutigkeit. Dies ist auch notwendig.
Viele Fragen bleiben dennoch offen, etwa die Rolle von Harrys Tante Petunia,
die ja auch - man erinnere sich an Band 5 - mehr von der Zaubererwelt ahnt, als
man zuvor gedacht hat (in Band 6 bleibt ihre Figur - ähnlich wie in den Bänden
1-4 jedoch äußerst blass). Die Autorin hat also noch viel zu tun in Band 7,
auf den ich sehr gespannt warte, um alle bisher offen gebliebenen Fragen zu
klären. Die primäre Funktion von Band 6 ist der, die verschiedenen
Handlungsfäden zusammenzuführen, um den Leser auf das endgültige
unvermeidliche Finale Harry-Voldemort vorzubereiten. Diese Funktion erfüllt
dieser spannend geschriebene Band voll und ganz. Mir wird auch folgendes klar:
die Autorin hatte - wie immer von ihr dargestellt - ganz offensichtlich von
Anfang an einen genauen Handlungsplan, den sie konsequent umsetzt - und dafür
gebührt ihr Respekt. Welchen Band ich nun am liebsten mag - ich kann es noch
nicht sagen; dazu ist die Lektüre noch zu "frisch" Das Buch ist - wie
schon erwähnt - sehr spannend und steht seinen Vorgängern meiner Meinung um
nichts nach. Er scheint mir auch weniger "langatmig" zu sein als der
unmittelbare Vorgänger, Harry Potter und der Orden des Phoenix (der jedoch, was
die Tiefe der Charakterzeichnung der Protagonisten angeht, aus meiner Sicht
unübertroffen bleibt). Der Band ist auch - trotz des düsteren Endes -
insgesamt deutlich humorvoller als der "Orden des Phoenix." Somit
knüpft Rowling nach meiner Beobachtung wieder an die Erfolgsfaktoren (Mischung
von Humor, detaillierter Beschreibung der Zauberwelt, Romantik und spannender,
nicht sich zu lang hinziehender Handlung) der Bände 1-4 an; ein Vorteil, wie
ich finde.
Fazit
Auf jeden Fall: sehr lesenswert
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 22. Juli 2005 2005-07-22 00:46:51