Wunderbar über Jahrzehnt hinweg erzählt
Anfang der 50er Jahre begann der wirtschaftlich intensivere Austausch zwischen
Deutschland und Italien Formen anzunehmen. Geschäftsreisen fanden statt und
wurden mehr und mehr, Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre kamen viele
Gastarbeiter aus Italien nach Deutschland. Nicht zu unterschätzen, aus heutiger
Sicht, ist dabei auch die Reibung der Kulturen, die dort aufeinandertrafen.
Gerade im südlichen Italien, in dem ein Strang dieser überzeugenden und
packenden Geschichte spielt, galten damals noch ganz andere Verhältnisse, als
es selbst im durchaus noch spießigen und bürgerlich engem Deutschland der
damaligen Zeit üblich war.
So kann aus der aufkommenden Liebe zwischen dem deutschen Vincent und der
sizilianischen Guilietta also nichts wirklich werden. Das junge Mädchen ist
für die Ehe versprochen. Und selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, an einen
Fremden in die Fremde hätte die Familie ihr Kind nie gehen lassen. Doch die
Liebe ist stark, die Treffen heimlich und die Folgen bald nicht zu übersehen.
Auch wenn die Schwangerschaft "in der Familie" bleiben wird und die
junge Liebe zwischen den beiden einander kulturell so fremden Menschen sich
zunächst für lange Zeit trennen wird.
Folgen, die bis in die Gegenwart reichen. Denn die junge Modeschaffende Julia
wird dieser Vergangenheit ausgesetzt. Durch einen Mann, der sich als ihr
Großvater ausgibt. Was jene Familiengeschichte, die Julia als die ihre dachte,
auf den Kopf stellt. So erfährt der Leser aus der Perspektive zweier Zeitebenen
Schritt für Schritt die Familiengeschichte Julias mitsamt der Verkettung
zwischen Vincent und Guilietta und deren späterem Mann Enzo, dem Ergehen der
beiden Zwillinge, der erstgeborenen Kinder vermeintlich des Ehepaares und deren
weiterer Weg, der in Gegenrichtung von Vincent aus Italien nach Deutschland
führen wird.
So ist es nicht nur eine wunderbar erzählte, mit Geheimnissen versehende
Familiengeschichte, die Daniel Speck erzählt, sondern auch ein gutes Stück
Zeitgeschichte über die vielen Italiener, die als Gastarbeiter nach Deutschland
kamen, über das Aufeinandertreffen von Kulturen, über hochfliegende
Lebensträume und ernüchternde Realitäten, über das Durchsetzen und sich
voran kämpfen mit einem überraschenden und durchaus den Leser angerührt
zurücklassenden Schluss.
Nur wenig an jenem Weg ins "gelobte Land" hält den Realitäten im
beschworenen "Bella Germania" stand. Wie überhaupt die emotionale
Nähe, die Speck über seine Figuren und die Ereignisse zum Leser aufbaut, ein
wichtiges und wesentliches Merkmal dieses hervorragend erzählten Romans ist.
Eine Erzählweise, die packt und den Leser mitzieht, eine Leichtigkeit im Ton,
die dennoch die Tiefen des Lebens und der Beziehungen der Personen untereinander
nicht ausklammert, sondern auf den Punkt trifft.
Fazit
Eine Emotionalität, die Marie Bierstedt bestens im Hörbuch in Betonung und
Ausdruck aufnimmt und weitervermittelt, so dass auch die Hörfassung des Romans
sehr empfehlenswert umgesetzt wurde.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 02. Oktober 2016 2016-10-02 13:06:17