Um es gleich zu sagen: Das bis heute beste Werk über die "Auflösung der
Weimarer Republik" stammt von Karl-Dietrich Bracher. Es ist in seiner
Faktenfülle bis heute ein Standardwerk geblieben. Wer sich aber an dieses lange
Werk nicht recht "herantraut", dem sei dieses kleine Büchlein des
Historikers Dirk Blasius empfohlen, der bereits mit einer Studie über Carl
Schmitt, den berüchtigten Juristen im Dritten Reich, hervorgetreten ist.
Die zahlreichen Faktoren, die zum Untergang der Weimarer Republik führten, sind
in der Forschung weitgehend bekannt. Eine "monokausale Erklärung"
für den Aufstieg des Nationalsozialismus gibt es, wie Eberhard Kolb zu recht
festgestellt hat, nicht. Darauf weist Blasius in seiner Einleitung zu diesem
Buch deutlich hin. Blasius konstatiert aber, dass in der Reihung der
"Komponenten", die die Weimarer Ordnung destabilisiert und
delegitimiert hätten, die Bürgerkriegs-Perspektive fehle. "1918 war der
Krieg zu Ende, doch es begann ein Bürgerkrieg der Worte, Taten und Ideologien,
der Weimar dem Abgrund entgegen treiben ließ." Zwar begegne das
Bürgerkriegsparadigma in den Forschungen zur Weimarer Republik, "aber es
ist nie zu einer Leitlinie einer systematischen Interpretation gemacht
worden". Es sei - so Blasius, der "deutsche Bürgerkrieg"
gewesen, der zur Katastrophe Europas im zweiten Weltkrieg geführt habe, kein
europäischer, vom Kommunismus hervorgerufener Bürgerkrieg, dem Deutschland
anheimfiel. Blasius wendet sich damit auch explizit gegen die Thesen Noltes, die
in den 1980-er Jahren den "Historikerstreit" auflösten. Blasius These
ist die, dass die politische Gewalt in der Weimarer Republik nicht nur
krisenverschärfend wirkte, sondern die inneren Kämpfe einen kriegsähnlichen
Charakter besaßen. "Die Zahl von Kriegstoten ist sicherlich ein Gradmesser
für die Intensität von Staatenkriegen, für die Härte und Uerbittlichkeit von
Bürgerkriegskonflikten gelten andere Parameter. Sie haben sich an empirischen
Befunden zu orientieren, die von Gewaltepisoden bis zu Gewaltexzessen reichen.
Nur so lassen sich die Gründe für das Aufkommen einer
"Bürgerkriegshysterie" Anfang der dreißiger Jahre benennen, die
nicht nur die Menschen wie eine Seuche befallen, sondern auch die Politik in
verhängnisvoller Weise kontaminiert hat." (S. 13). Es sei der Irrglauben
des Bürgertums gewesen, erst der Nationalsozialismus garantiere die
Wiederherstellung des inneren Friedens. Niemand anders als Sebastian Haffner hat
in seinen Publikationen, insbesondere seinen "Anmerkungen zu Hitler"
und in seiner "Geschichte eines Deutschen" die Hoffnungen und die
empfundene Aufbruchsstimmung geschildert, die nach der Machtübergabe an die
Nationalsozialisten, im ersten Halbjahr 1933, von der Mehrheit der Bevölkerung
empfunden wurde. Darauf geht Blasius nicht ein. Leider endet seine Darstellung
mit dem Datum der Macht"ergreifung", die ja in Wahrheit eine
Machtübertragung an Hitler war, 1933. Schade, denn hätte Blasius die Gedanken
weitergeführt, so wäre seine These sicherlich bestätigt worden, wie die
Bücher Haffners beweisen. Der insgesamt sehr knappe Band, der als Quellen auf
zahlreiche Zeitungsberichte jener Zeit, abe auch auf die klassische
Sekundärliteratur zur politischen und Verfassungsgeschichte (unter anderem
Ernst Rudolf Hubers deutsche Verfassungsgeschichte, Band VII) zurückgreift, ist
meines Erachtens schlüssig und plausibel. Sie zeigt, dass das Volk Sehnsucht
nach Ruhe hatte und einen Hoffnungsträger suchte. Es fand es -
fälschlicherweise - in Hitler. Natürlich ist und bleibt die Feststellung
richtig, dass in Weimar die Bürger die Demokratie nie verinnerlicht haben. Je
trister die Realität war (man denke an die furchtbaren Auswirkungen der
Wirtschaftskrise, die im Januar 1932 zu über 6 Mio. Arbeitslosen führte),
desto stärker war der Ruf nach diesem Hoffnungsträger. Dass latente Gewalt,
die 1932, dem Jahr des "Kampfes um die Macht" (S. 174)zwar von den
Nationalsozialisten angewandt wurde, diese aber dem Bürgertum gleichzeitig
vortäüschten, eine Anti-Bürgerkriegspartei zu sein und als "Garant für
Ruhe und Ordnung" aufzutreten, ist ein wichtiger Aspekt, der die
Machtübernahme der NSDAP und Hitlers erklärt.
Fazit
Diesen Aspekt verdeutlicht zu haben, darin liegt das Verdienst dieser
spannenden, flüssig geschriebenen Studie, die auch heute nichts an Brisanz
verloren hat, wenn man an das Aufkommen populistischer Parteien in unseren
heutigen Zeiten denkt. Daher - auch als Kurzusammenfassung des Endes von Weimar,
sehr lesens- und nachdenkenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 09. Juli 2005 2005-07-09 13:01:52