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Eberhard Jäckel: Hitlers Herrschaft

Hitlers Herrschaft

von Eberhard Jäckel
Verlag: Deutsche Verlagsanstalt [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-421-06254-3

Preis: 7,12 Euro bei Amazon.de [Stand: 22. November 2024]
Unter der Flut an Büchern über Hitler und den Nationalsozialsozialismus fällt es zunehmend schwer, brauchbare Ersteinführungen zu finden, die verständlich geschrieben sind und dennoch auf solide Quellenforschung nicht verzichten. Der vorliegende Band von Eberhard Jäckel, einem ausgewiesenen Experten auf seinem Gebiet, besticht durch beide Tatsachen. Inhaltlich ist der Band eine Fortsetzung von Jäckels bahnbrechender Publikation: "Hitlers Weltanschauung". Dort wies er nach, dass Hitlers Ideologie eine konsequente Weltanschauung gewesen ist, die er in seinen beiden Büchern: "Mein Kampf" und in seinem - lange geheimgehaltenen - zweiten Buch von 1928 entwickelt hat. Die beiden Hauptziele seiner Ideologie waren die Eroberung von Lebensraum im Osten und die Vernichtung der Juden.
In diesem Folgeband, der als Fortsetzung zu "Hitlers Weltanschauung" zu verstehen ist, zeigt Jäckel eindeutig, dass Hitlers Herrschaft konsequent diese beiden Ziele verwirklicht hat. Hitlers Aufstieg erklärt Jäckel mit der sogenannten Bonapartismus-Theorie, die bereits Marx und Engels entwickelt hatten. Da sich weder Demokraten noch Monarchisten nach dem ersten Weltkrieg und der Revolution von 1918/19 durchsetzen, d.h. die Staatsgewalt erringen konnten, habe eine dritte Bewegung, die beide Klassen gegeneinander ausgespielt habe, die nationalsozialistische Hitlerbewegung, 1933 die Herrschaft errungen. Daher habe Hitler die Chance gehabt, sich zum Diktator oder - den Begriff gebraucht Jäckel lieber - zum Monokraten aufzuschwingen. Monokratie sei durch totale Abwesenheit von Kontrollmechanismen gekennzeichnet worden.

Auf rund 130 Seiten zeichnet Jäckel ein genaues Bild über die Bedingungen der Machtergreifung und über die Folgen von Hitlers Herrschaft auf. Dabei zeigt er deutlich auf, dass Hitler eine solche Handlungsfreiheit besaß, dass er seine Ziele - zum Teil auch gegen den Widerstand anderer, etwa der Wehrmacht - durchsetzen konnte. Als Beispiele nennt er den "Weltanschauungskrieg" gegen Rußland, den führende Teile der Wehrmacht und Parteiführer nicht wollten (sie fürchteten einen Zweifrontenkrieg gegen England) und die planmäßige Vernichtung der Juden, die vermutlich in der 2. Hälfte 1941 entschieden wurde. In Anlehnung an Publikationen von Andreas Hillgruber zeichnet Jäckel Hitlers Strategie in den Jahren 1940 und 1941 nach, wobei er auf den Verlauf des Krieges nach dem Angriff auf Rußland nicht weiter eingeht, da das Ziel Hitlers, seine Weltanschauung auf Biegen und Brechen durchzusetzen, mit dem Angriff auf Rußland augenscheinlich erreicht worden war.

Leider fehlt eine aus meiner Sicht ganz wichtige Erklärung, die Sebastian Haffner in seiner Hitler-Biographie geliefert hat. Haffner, der zentrale Passagen über Hitlers Weltanschauung in seiner Hitler-Biographie von Jäckel übernommen hat, weist in seinen "Anmerkungen zu Hitler" eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen Scheitern der Ostoffensive, Hitlers Kriegserklärung an Amerika, seinen sinnlosen Haltebefehlen und der Judenvernichtung nach. Hitler habe nach dem Scheitern der schnellen Eroberung der Sowjetunion im Winter 1941 gemerkt, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war und sein Traum, die Weltherrschaft und Lebensraum im Osten zu gewinnen, nicht realisierbar geworden sei. Hitler habe von da an keine Initiativen mehr zur Kriegsführung entwickelt, wie dies zwischen 1939 und 1941 der Fall gewesen sei. Er habe aber Zeit gebraucht zur Verwirklichung seines zweiten Ziels: der Vernichtung der Juden. Daher die ganzen Haltebefehle. Daher sei auch zu jener Zeit - Herbst 1941 - der Wille entstanden, die Juden zu töten und den Holocaust durchzuführen. Dies weist Haffner sehr plausibel nach. Leider kann er keine Quellen benennen. Jäckel arbeitet hier mit den Methoden des Historikers: er benennt seine Quellen, in der Regel Dokumente und Akten, also Primärquellen. Dass diese Methode Hitlers wahre Motive nicht ausreichend enthüllen, da er seine wahren Absichten nur andeutungsweise auch im engsten Führungskreis bekanntgab, gibt auch Jäckel in seinem vorliegenden Band zu. Quellenforschung kann insofern nur dort helfen, wo Quellen in der Lage sind, die wahren Absichten der Diktatoren zu benennen. Wenn diese - wie Hitler es mit seiner angeblichen "Friedenspolitik" 1933-1938 tat - ihre wahren Absichten verhüllen, hilft Quellenforschung nur bedingt, um eine zutreffende Erklärung der Ereignisse zu gewinnen.

Dennoch: als Ersteinführung gehört dieses Buch - wenn man die obigen Einschränkungen berücksichtigt, bis heute zum besten, was über Hitlers Herrschaft geschrieben worden ist. Vergleichbar mit dieser Publikation am ehesten das Buch: "Hitlers Macht" von Ian Kershaw, der dieses Buch lange vor seiner voluminösen zweibändigen Hitler-Biographie vorlegte.
Fazit
Das Buch ist als unbedingte Ergänzung zu Jäckels Standardwerk: "Hitlers Weltanschauung" zu empfehlen. Auch heute noch empfehlenswert.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 26. Juni 2005

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