Hat der Besitz von Büchern Einfluss auf den Schulerfolg eines Kindes? Sind bei
adoptierten Kindern die Erbanlagen entscheidend oder der Erziehungsstil der
Eltern? Steven Levitt ist Professor für Wirtschaftswissenschaften; er erklärt
in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Stephen Dubner anschaulich den
Unterschied zwischen Kausalität und Kongruenz. Das Autoren-Team gibt Einblicke
in typische Argumentations-Schienen amerikanischer Medien.
Freakonomics räumt zunächst mit populärwissenschaftlichen Erkenntnissen auf,
die wir bisher für gesichert hielten. Dabei schlagen die die Autoren selbst
ernannte Experten mit ihren eigenen Waffen. Sie zeigen, dass einige Politiker
sich geschickt vorhandene Trends zunutze machen, indem sie vorgeben, sie hätten
diese Wirkung durch überlegte Maßnahmen erzielt. Sie sollten die Levitts
Argumente besser nicht als Argumentationshilfe für Ihren eigenen Wahlkampf
benutzen. Sie werden scheitern. Auch das kann Levitt beweisen.
Die Zahl der Verbrechen in New York kann durch Personalzuwachs bei der Polizei
oder die Zero-Tolerance-Aktion des Bürgermeisters gesenkt worden sein. Es gibt
jedoch inzwischen weniger Jugendliche und möglicherweise deshalb weniger
Straftaten. Dass Waffengesetze oder Strafen irgendeinen Einfluss auf die
Kriminalitäts-Statistik haben könnten, wird kein Leser nach der Lektüre
weiter behaupten können.
Levitt erläutert, wie durch Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in
den USA 20 Jahre später die Kriminalitätsrate deutlich sank. Der Beweis, dass
diese unpopuläre These falsch ist, steht noch aus; stattdessen erhielt der
Autor Morddrohungen.
Lesenswert ist das Kapitel über den Ku-Klux-Clan. Auf die Idee, 100 Lynchmorde
"nicht viel" zu finden, wenn im gleichen Zeitraum 10 000 schwarze
Kinder an banalen Krankheiten sterben, kann wohl nur ein Amerikaner kommen.
Die Autoren haben Levitts ungewöhnlichen Themen geschickt zu einem
populärwissenschaftlichen Buch über Wirtschaft und Statistik verknüpft. Wir
bekommen Einblick in die kaufmännische Buchführung einer Crack-Dealer-Bande,
die ähnlich wie die MacDonalds-Kette organisiert ist. Wir lernen, warum der
durchschnittliche kleine Crack-Händler immer noch zu Hause wohnt und erkennen
die Verbindung zwischen Drogenhandel und Gewalt.
Mit wirtschaftswissenschaftlicher Denke zeigt Levitt auf, dass Eltern Risiken
für ihre Kinder fürchten, die unwahrscheinlich sind, während sie die
wahrscheinlichen Gefahren übersehen. Jährlich ertrinken z. B. in den USA 550
Kinder im elterlichen Swimming-Pool, erschossen werden im gleichen Zeitraum 175.
Mit Freakonomics will Levitt seine Leser in die Lage versetzen, sich nicht
allein durch Senkung des Empörungs-Faktors beschwichtigen zu lassen, während
sich an den Tatsachen nichts ändert.
Der Ko-Autor Stephen Dubner hat von 1994 bis 1999 das New York Times Magazine
herausgegeben. Er schreibt freiberuflich für den New Yorker, die Washington
Post und Time.
Fazit
Einge der typisch amerikanischen Beispiele Levitts sprechen europäische Leser
weniger an, trotzdem ist das Buch unterhaltsam und zeigt verblüffende
Perspektiven auf.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 08. März 2006 2006-03-08 19:30:37