In Berlin scheint es einen neuen Verlag zu geben, der sich die Übersetzung
japanischer Kinderbücher ins Deutsche auf die Fahnen geschrieben hat.
Normalerweise würde mich, der ich aus dem Kinderbuch-Alter schon
herausgewachsen bin, diese Tatsache nicht übermäßig tangieren, aber der
Gründer und Namensgeber des Verlags, Holger Kato, hat mir von seinen ersten
beiden Titeln je ein Rezensionsexemplar zugesandt. "Der Schweinebaum"
von Maki Sasaki hat schon rein äußerlich mein Interesse geweckt und so habe
ich es direkt gelesen. Der eigentlichen Rezension schicke ich voraus: Ich bin
entsetzt!
Im "Schweinebaum" geht es um einen Wolf, der ziemlich langsam läuft
und deshalb zum einen kein Schwein zum Fressen fangen kann und zum zweiten von
diesen natürlich ausgelacht wird, weil er so lahm ist. Aber zum Glück gibt es
Dr. Fuchs, an den sich der Wolf wenden kann. Dieser hat Schweinebaumsamen
erfunden, mit denen sich der Wolf einen Schweinebaum züchtet. Dank des
ebenfalls gelieferten Schnellwuchssaftes ist der Baum, an dem Schweine wachsen,
auch schnell zu einem riesigen Ungetüm geworden. Urplötzlich erschüttert
jedoch ein Elefantenmarathon die Erde und alle Schweine, die bisher am Baum
gewachsen sind, fallen herunter und laufen weg - bis auf ein Schwein. Das bleibt
ohnmächtig am Baum liegen und der Wolf sieht seine große Chance gekommen.
Schnell macht er ein Feuer, aber bevor er das Schwein zubereiten kann, fängt
sein Schwanz Feuer und auch das letzte Schwein rennt weg. Also legt der Wolf ein
neues Samenkorn in die Erde und begießt es mit dem Schnellwuchssaft. Ende der
Geschichte.
Wozu sollen Kinderbücher dienen? Sind sie nicht zum Beispiel eine
Einschlafhilfe, aus der die Eltern vorlesen? Jawohl, so erinnere ich mich an die
Kinderbuchzeit - aber zu diesem Zweck hätten meine Eltern niemals ein Buch wie
den "Schweinebaum" ausgewählt. Die Handlung ist nicht interessant und
noch unattraktiver erzählt, und vor allem strotzt sie vor Brutalität. Diese
beginnt schon beim Wolf, der in vielen anderen Kindergeschichten der Bösewicht
ist. Womit verdient er, hier die Hauptperson zu sein? Warum wird ihm, der ja
nicht unbedingt edle Ansichten verfolgt, die Opferrolle zugewiesen? Und warum
geht Maki Sasaki, der laut Presseinformation in Japan "seit Jahren für
seine humorvollen Kinderbücher gefeiert" wird und "einer der
erfolgreichen japanischen Kinderbuchautoren" ist, so weit, den Kindern als
Problemlöser einen absurden Schweinebaum zu präsentieren?
Nun zum Zeichenstil. Zugegeben, er ist einfallsreich, aber kindgerecht? Nein!
Die Charaktere sind lieblos, einfältig und detaillos gezeichnet. Abgesehen von
einer Träne, die sich der Wolf wegen der Verspottung aus dem Auge drückt, und
einem Verband, den er am Schluss wegen dem verbrannten Schwanz um ebendiesen
gewickelt hat, ist nicht die geringste Veränderung an ihm zu beobachten. Bei
den Schweinen hat Sasaki größtenteils auch von Veränderungen abgesehen, und
der auftretende Dr. Fuchs wirkt auf kleine Kinder optisch eher verängstigend.
Fazit
Wer sich meine restlichen Rezensionen ansieht, merkt, dass ich die meisten
Fehler nur geringfügig in die Bewertung einfließen lasse, da sie oft durch
positive Merkmale ausgeglichen werden. Was soll ich aber machen, wenn es nicht
ein einziges positives Bewertungselement gibt? Genau: Ich vergebe keinen
einzigen Stern, und genau das sei hiermit erledigt.
Vorgeschlagen von Nico Haase
[Profil]
veröffentlicht am 14. Juni 2005 2005-06-14 16:43:27