Hakan Nesser knüpft mit diesem Adoleszenzroman, der meines Erachtens deutlich
in der Tradition von Salingers: "Fänger im Roggen" steht (in dessen
Lektüre der Protagonist, der 17-jährige Mauritz zu dieser Zeit, Sommer 1967,
vertieft ist) an seinen früheren Roman: "Kim Novak badete nie im See
Genezareth" an. Es gibt auch mehrere Anspielungen an den in "Kim
Novak" beschriebenen Mordfall, der von Mauritz erwähnt wird. Ermordet wird
der Vater von Mauritz Freundin Sieghild, einem brutalen Uhrmacher, der - häufig
betrunken - ein Familientyrann ist. Er und seine Frau Esther passen so gar nicht
zusammen. Geschildert werden die Geschehnisse aus Mauritz-Sicht, der als
Ich-Erzähler fungiert. Trockenen Humor und Witz zeichnet diesen Roman ebenso
aus wie die einfühlsame Schilderung der Welt der Jugendlichen, in die sich
Nesser, der zu jener Zeit so alt war wie sein jugendlicher Held, wirklich gut
hineinversetzen kann. Mauritz macht eine Entwicklung durch - er wird zum Mann.
Erneut ein Roman, der subtile Spannung aufbaut und eine Geschichte rückblickend
erzählt. Im Gegensatz zur sogenannten "Private Eye"-Literatur der
klassischen Detektive amerikanischer Hard-boiled-Romane wie Hammet oder Chandler
kennt hier der Autor die Geschehnisse und - wie sich zeigen wird, den Täter. Zu
Beginn des Buches wird erzählt, wie er sich mit einer - dem Leser zunächst
unbekannten - Frau treffen will, die eine wichtige Rolle in Mauritz Leben
spielen wird, wie sich am Schluss des Romans erweist...
Ich konnte auch diesen Roman, ähnlich wie "Kim Novak" nicht mehr
loslassen, so hat er mich gefesselt. Ich konnte mich gut in die Welt von Mauritz
hineinfühlen. Mir gefallen daher beide Romane auch noch besser wie die -
ohnehin schon guten - Krimis um Kommissar Van Veteren. Allerdings fand ich
"Kim Novak" noch zauberhafter, noch subtiler und fesselnder als dieses
Werk, vielleicht auch deshalb, weil in "Kim Novak" der Täter nicht
gefunden wird. Dort gibt es - im Gegensatz zu diesem Buch - ein echtes offenes
Ende. Ansonsten sind die Parallelen auffällig - beide Romane spielen im
gleichen Ort, jeweils im Sommer im Abstand von 5 Jahren. Beide handeln von
Adoleszenz und Freunschaft - einmal, in "Kim Novak" geht es um die
Freundschaft zweier 14-jähriger Jungen, hier um die sich leise entwickelnde
Freundschaft zwischen Mauritz und Sieghild. Beide Titel verbindet gute
authentische Charakter- und Landschaftsbeschreibung und verrät eine Kenntnis
der seelischen Empfindungen und Abgründe, dass er meines Erachtens nicht nur an
gute Thriller Patricia Highsmiths, mit denen die Kritik Nesser zu recht
verglichen hat, sondern mich auch an Dostojewskis Helden erinnert hat. Dieser
wird in diesem Buch sogar erwähnt; für mich ein Zeichen, dass Nesser sich
dieser Wurzeln wohl bewusst ist.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 14. Mai 2005 2005-05-14 14:00:11