Zum 60. Jahrestages des Kriegsendes ist die Zahl an Büchern, CDs und Filmen zum
Dritten Reich fast unübersehbar. Der Kinofilm: "Der Untergang" -
basierend auf Fests Darstellung - hat gezeigt, wie lang der Schatten des Dritten
Reiches noch immer ist. Bereits 2004 haben die Spiegel-Autoren Stefan Aust und
Gerhard Spörl Aufsätze verschiedenster Zeitzeugen, Historiker, Politiker,
Schriftsteller herausgegeben, die sich mit dieser Frage auseinandersetzen.
Insbesondere Hitler-Biograph Ian Kershaw geht in seinem Aufsatz: "Trauma
der Deutschen" der Frage nach, warum Hitler singulär bleibt. Hitler sei -
so Kershaw in Anlehnung an seine frühere Publikation: "Der
Hitler-Mythos" vom Anfang bis zum Ende seiner Herrschaft populär gewesen.
Sebastian Haffners Diktum, Hitler habe nach 1933 die "große Mehrheit der
Mehrheit" für sich gewonnen, die 1933 noch gegen ihn gestimmt habe,
stimmt. Auch der Antisemitismus Hitlers sei akzeptiert worden. Andreas Wirsching
hat an anderer Stelle von der "Tiefenakzeptanz des
Nationalsozialismus" gesprochen. "Warum der modernste Staat auf dem
europäischen Kontinent den Mord an den Juden zu einer hochwichtigen
Staatsaufgabe machte, fordert eine ständige Suche nach Antworten heraus. Und
dass die Durchführung von Hitlers Ausrottungsabsicht gegen die Juden die
Zusammenarbeit und Komplizenschaft von Intellektuellen, Ärzten und Juristen,
wie auch von Generälen, Soldaten und Männern sowie Frauen aus allen
Lebensbereichen erforderlich machte, erhöht für uns alle - nicht nur für die
Deutschen - die Notwendigkeit, darüber nachzudenken, wie wir uns unter ähnlich
extremen Umständen verhalten würden. "Bruder Hitler", wie eine
berühmte Formulierung von Thomas Mann lautet, lässt solche Fragen bis heute
aktuell sein." Kershaw zieht das Fazit: "In hundert Jahren wird
Hitler...definitiv ein Teil der Geschichte, nicht der Gegenwart sein. Die
"Historisierung" Hitlers wird abgeschlossen sein. Aber der Prozess der
dahin führt, wird eine lange organische Entwicklung darstellen. Es wird keinen
Punkt geben, an dem es möglich sein wird, aus politischen Motiven zu
beschließen, aus dem Schatten Hitlers herauszutreten." (S. 103).
Dieses Fazit teilen auch die weiteren Autoren dieses hochinteressanten Werkes.
Interviews finden sich mit noch lebenden Zeitzeugen, wie etwa
Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, dessen Vater ja im Auswärtigen Amt
unter Hitler diente und dessen Biographie beispielhaft den Zwiespalt aufzeigt,
den das Leben unter der totalitären Diktatur erforderte und wie eigene
moralische Wertvorstellungen durch die barbarische Realität des Regimes
zurückgedrängt wurden. Größer kann in der Tat die Last nicht sein, wie
Weizsäcker treffend in dem Interview bilanziert. Doch auch die anderen
Interviews, etwa mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt, dem Sozialhistoriker Ralf
Dahrendorf, dem Historiker Walter Laqueur, das Gespräch mit der
Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich, die zusammen mit ihrem Mann das Werk:
"Die Unfähigkeit zu trauern" verfasst hat, sind sehr sehr
interessant.
Fazit
Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes sollte meines Erachtens gerade dieses Buch
gelesen werden. Es ragt an Nachdenklichkeit, Intensität aus der Füller der
angebotenen Bücher hervor. Unbedingt lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 05. Mai 2005 2005-05-05 10:37:39