"Treue Genossen" ist ein sehr nachdenkliches Buch über die
Gesellschaft und die politische Situaton in Rußland. Inspektor Renko, den die
Fans des Autors bereits in "Gorki Park" erstmals kennenlernen konnten,
bemüht sich um die Aufklärung eines mysteriösen Selbstmordes. Der Chef der
Firma Novi Rus, Pascha Iwanow, stirbt nach einem Sturz aus seinem Fenster im
dritten Stock seines Büros. Dort war er erst rund 10 Minuten vorher
eingetroffen, wie eine Videokamera festhält. In seiner Wohnung entdeckt Renko
lauter Salz. Wofür brauchte Iwanow Salz? Erst recht verzwickt wird die
Sachlage, als sich herausstellt, dass dieses Salz radioaktiv ist. Renkos
Vorgesetzter besteht darauf, die Todesursache sei Selbstmord und versucht Renko
mit allen Mitteln, an weiteren Ermittlungen zu hindern, die diesen in die
Todeszone von Tschernobyl führen. Dort taucht eine weitere Leiche auf...
Dieses Buch ist kein Thriller wie es Gorki Park war. Es ist ein zutiefst
nachdenklicher Roman über Kontinuitäten der russischen Gesellschaft vom
Kommunismus bis heute. Beeindruckend vor allem die Szenen in der Zone von
Tschernobyl, die mich an die Schilderungen von Jurij Scherbaks Buch: Tschernobyl
erinnert haben. Dies gilt vor allem für die Charakterzeichnung der dortigen
Menschen, die der Autor mit großer Authentizität und viel Feingefühl
gezeichnet hat. Sicherlich hat sich Cruz-Smith intensiv mit den dramatischen
Ereignissen um die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und ihren Folgen
beschäftigt.
Fazit
Ich fand das Buch dennoch - insbesondere zu Beginn - etwas zäh zu lesen. Lange
Zeit wollte bei mir keine Spannung aufkommen; ich fing immer wieder zu lesen an.
Dies mag daran liegen, weil ich einen Thriller im Stile von Gorki Park erwartet
hatte. Wie oben bereits dargelegt, werden diese Erwartungen nicht erfüllt. Das
Buch besticht jedoch durch enorme Sachkenntnis und realistische, authentische
Charaktere. Insbesondere die Persönlichkeit des zähen Inspektors Renko
überzeugt. Außerdem gibt der Roman ein meines Erachtens gutes Bild der
sogenannten Bismeny, also der kleinen Schicht der russischen Superreichen, die
sich in der Ära Jelzin bildete und zu der der Ermordete gehörte. Also ein sehr
authentisches Bild der heutigen russischen Gesellschaft, aber auch ihrer
Kontinuiten zur kommunistischen Vergangenheit, wird durch diesen Roman
gezeichnet. Dies tröstet über einige zähe Stellen, besonders zu Beginn,
hinweg. Daher nicht nur für Thrillerfans, sondern für alle Interessierten
Rußlands und für alle diejenigen, die sich für die Folgen der
Reaktorkatastrophe von Tschernobyl interessieren, lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 02. April 2005 2005-04-02 18:34:13