Brandenburgische Atmosphäre wird geatmet, wenn man sich in dieses Buch
vertieft. Es macht Spaß, eine Landschaft, einen Landstrich zu spüren, wenn man
liest. Die von Tanja Weber erzeugten Bilder schaffen es, die Leser auf eine
Reise zu schicken. Dabei scheint die Reise nicht nur an einen anderen Ort,
sondern auch in eine andere Zeit zu gehen. Denn man mag kaum glauben, eine
solche dörfliche Idylle noch heute anzutreffen. Aber das mögen Leute
beurteilen, die nicht in einer Großstadt leben. Aber nicht nur die
atmosphärischen Bilder sind überzeigend, auch die Brutalität der Täter wird
in drastischen Farben gemalt.
In dem kleinen Dorf Brandenburgs mit dem Namen Germerow gibt es diese Idylle vor
den Toren Berlins anscheinend noch. Der Postbote Johannes Stifter, der schon
seit Jahren an seiner Dissertation in Philosophie arbeitet, wohnt in diesem
beschaulichen Örtchen, in welchem es eine Kleingartenanlage und neben vielen
Einfamilienhäusern einen Plattenbau gibt, und trägt hier tagein, tagaus die
Briefe aus. Er kennt jeden der Empfänger, weiß, wie sie ticken, seine
Nachbarn, wer mit wem kann und wer nicht. Sein größtes Interesse aber gilt
einer Frau, die vier Kinder hat, von "aus dem Haus" bis "noch
beim Stillen". Der Vater der beiden jüngsten, Micha, ist ein Taugenichts
und selten bei der Familie. Annika Strelski verzichtet gerne auf ihn. Doch eines
Tages findet der Briefträger ihn im nahegelegenen Wald tot auf, der Schädel
zertrümmert. Stifter gerät in Verdacht. Die Kommissare, ein in der Gegend
geborener Mann mittleren Alters und ein Bayer, der schon fünfzehn Jahre im
Osten Deutschlands lebt und immer noch hinzulernt, sind ein skurriles
Ermittlerduo. Aus ihnen erwächst eine eigenartige Komik und viele nette
Episoden entstehen, wenn sich z. B. der alte Bayer über die Musikleidenschaft
seines jüngeren Kollegen wundert.
Tanja Weber schafft es verblüffend gut, die Geschichte aus den Perspektiven der
verschiedenen Figuren heraus zu erzählen. Besser gesagt, der Erzähler eignet
sich in den einzelnen Szenen jeweils die Sichtweise einer der handelnden Figuren
an. Dabei greift er die Sprache der jeweiligen Person auf und während er beim
neunjährigen Adam noch sagen würde: das ist jetzt aber voll doof, kommt solch
ein Satz in Zusammenhang mit einer erwachsenen Figur niemals vor. Da die Autorin
sehr früh den Täter präsentiert, fragt man sich als Leser zu diesem
Zeitpunkt, was denn da noch kommen mag. Aber wer das Buch dann aus der Hand
legt, wird nie erfahren, wie Spannung nach einem Finale funktioniert. Einfach
nur packend und überraschend.
Fazit
Man darf auf weitere Romane von Tanja Weber gespannt sein. Dieses Buch empfehle
ich gerne. Und wer den allerersten Hit von Nina Hagen noch kennt, der wird beim
Lesen nicht umhin kommen, das Lied mitzuträllern.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 19. März 2012 2012-03-19 11:04:33