Der junge Leander hat das Amt des Henkers, Baders und Knochen-Einrenkers im
mittelalterlichen Carcassonne von seinem Vater übernommen. Leander tötet,
aber er will die Menschen nicht quälen. Mit seinen medizinischen und
anatomischen Kenntnisse verhilft er den Verurteilten zu einem vergleichsweise
"schmerzarmen" Tod.
Leanders Leben im Henkerturm könnte paradiesisch sein. Er kann dort tun, lesen
und denken, was er will und im Keller anatomische Studien an Hingerichteten
betreiben. Mancher Bürger mag schon gezweifelt haben, wie aus diesem eher
sanften Menschen je ein richtiger Henker werden soll. Und tatsächlich ist mit
Leander nichts, wie es sich gehört. Mehr soll hier nicht verraten sein.
Ein alter Mann meint freimütig zu Leander: "Nicht von Mördern und
Räubern werden die schlimmsten Verbrechen begangen, sondern von religiösen
Fanatikern, die glauben, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein." Die
katholische Kirche will an den abtrünnigen Katharern ein Exempel statuieren und
schickt die Nonne Thekla nach Carcassonne, um sich dort als Informantin
einzuschleichen. Von diesem Tag an sind die Schicksale Theklas, Leanders und
weiterer Bürger Carcassonnes untrennbar miteinander verknüpft.
Die Tätigkeit eines Henkers im Mittelalter mag eine gewöhnungsbedürftige
Lektüre sein, doch Heines lakonische, augenzwinkernde Beschreibungen lassen die
Epoche weder zu finster erscheinen noch idealisieren sie. Heine kann den
Satiriker nicht verbergen und lässt seine Figuren aus mittelalterlicher Sicht
drastische Urteile abgeben.
Als dritter Band der Mittelalter-Trilogie (1. Das Halsband der Taube und 2. Der
Flug des Feuervogels) stellt das Buch nach dem Islam und dem Judentum nun das
Christentum in den Mittelpunkt.
Fazit
Die Raben von Carcassonne kann unabhängig von den anderen Bänden gelesen
werden und ist uneingeschränkt empfohlen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 20. März 2005 2005-03-20 12:12:18