Sparta - das ist vor allem ein Mythos, der bereits in der Antike gepflegt wurde
(Stichwort: Große Rhetra, oder die Prinzipien Agoge und homoioi). Man denkt
unweigerlich an die Phalanx der Gleichen, an die brutale Jugenderziehung, an den
Mythos vom "Feldlager" oder die "schwarze Suppe". Sparta hat
aber auch immer wieder fasziniert. In jüngster Zeit sind einige interessante
Spartabücher erschienen (das knappe Büchlein von Ernst Baltrusch, Lukas
Thommens provokantes Spartabuch oder auch mehrere vergleichende Darstellungen
zwischen Athen und Sparta).
Karl-Wilhelm Welwei gilt allgemein als ein ausgezeichneter Kenner des antiken
Griechenlands. Nach seinem 1999 erschienenen Standardwerk "Das klassische
Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert" liegt nun eine
umfassende und kenntnisreiche Darstellung der Geschichte Spartas vor. Welweis
Absicht ist es, den Schleier des Mythos etwas zu lüften. Dazu bedient er sich
nicht nur antiker Quellen, sondern auch den Erkenntnissen der modernen
Forschung, die Welwei meisterlich rezipiert - auch wenn man an der einen oder
anderen Stelle abweichender Meinung sein kann.
Welwei gewichtet die jeweiligen Argumente vorsichtig und kommt meistens zu einem
klug unterfütterten Urteil. Vor allem aber beleuchtet er eingehend die
Frühzeit Spartas (Unterwerfung Messeniens und der Aufstieg zur militärischen
Führungsmacht). Dem schließen sich Kapitel über die Perserkriege und
schließlich der große Abschnitt des Peloponnesischen Krieges an, dem
Wendepunkt der griechischen Poliswelt.
In den letzten Kapiteln geht er auf die Gründe für den Verlust der
spartanischen Hegemonie ein und bietet einen (allerdings etwas sehr knappen)
Überblick über das Ende der Selbstständigkeit und die Rezeptionsgeschichte.
Es wird aber nicht nur die Ereignisgeschichte, sondern auch die Gesellschaft und
Kultur der Ausnahmepolis Sparta betrachtet.
Insgesamt liegt hiermit das wohl mit Abstand beste deutsche Überblickswerk zur
Geschichte Spartas vor. Mustergültig auch die geschmackvolle Aufmachung und das
intelligent aufgebaute Register, in welchem sich schnell und komfortabel
zentrale Begriffe nachschlagen lassen, was diese Monographie gleichzeitig zu
einem Handbuch macht. Es sei aber angemerkt, dass die Spartaforschung immer noch
in Bewegung ist (in Deutschland sei an die Thesen Lukas Thommens gedacht, die
auch nicht unumstritten sind, weil er etwa den Beginn des spartanischen
Sonderwegs erst ins 5. Jahrhundert verlegt).
Wer sich aber einen (durchaus anspruchsvollen) Überblick verschaffen will, ist
mit Welwei hervorragend bedient - auch wenn das Werk nicht unbedingt durch eine
schwungvolle Prosa glänzt, so ist es aber doch gut verständlich geschrieben
und somit sowohl für den Laien wie auch für den Historiker geeignet.
Es ist nur legitim zu fragen, was ein Buch über eine so weit zurückliegende
Zeit dem modernen Leser bietet. Zum einen einen Einblick in eine höchst
interessante Epoche und einen antiken Mythos, zum anderen aber durchaus auch
Anregungen für die Gegenwart. Gerade der Abbschnitt über die Zeit nach dem
Peloponnesischen Krieg, als Sparta als einzige verbliebende griechische
Großmacht versuchte, eine Hegemonie auf unilateralem Weg zu errichten und dabei
die Verbündeten vor den Kopf stieß, währenddessen es im Inneren notwendige
Reformen versäumte, mag dem Leser Stoff zum Nachdenken bezüglich unserer
Gegenwart bieten.
Fazit
Welwei hat ein vorzügliches Werk vorgelegt, dass ich jedem Interessierten (sei
es an Sparta, welches oft zu Unrecht gegenüber Athen in den Hintergrund
gedrängt wird, oder jeden, der sich Gedanken über den Niedergang von
Großmächten machen will) nur empfehlen kann.
Nur zwei Kritikpunkte: zum einen ist die Qualität mancher Aufnahmen eher
mangelhaft, zum anderen hätte man die Anmerkungen nun wirklich als Fußnoten
und nicht als Endnoten setzen können. Dies ist wohl dem Umstand zu verdanken,
dass die Verlage befürchten, der nicht wissenschaftlich interessierte Leser
würde dadurch vergräzt. Aber erst die Anmerkungen ermöglichen es, dass alle
Gedankengänge des Autors und die Hinweise zur modernen Literatur und den
Quellen rezipiert werden können. Beide Punkte sollten bei einer Neuauflage
korrigiert werden, daher auch ein geringfügiger Punktabzug.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 18. März 2005 2005-03-18 16:25:52