Es ist schon fast beängstigend: das Gehirn von Petter rattert und rattert und
rattert... Es produziert so viele Ideen, daß er sie erzählen oder aufschreiben
muß, um sich ihrer zu entledigen. Zum Glück weiß das niemand - seine Mutter
nicht, Spielkameraden oder Freunde hat er nicht, und höchstens der kleine Mann
mit dem grünen Rock und dem Spazierstock, den außer Petter niemand sehen kann,
hat eine Ahnung davon. Petter weiß bald, wie er Kapital aus seiner
unerschöpflichen Phantasie schlagen kann: einen gelungenen Schul-Aufsatz
tauscht er gegen Schokolade, Erdkunde-, Religion- oder Mathearbeiten gegen Geld
oder Gefälligkeiten. Als er entdeckt, was an Mädchen denn so spannend ist,
darf es auch mal ein Schäferstündchen sein. Die logische Entwicklung der
Tätigkeit mündet in der Gründung des "Autoren-Hilfswerkes". Petter
wird zum Geschichtenverkäufer - gegen Bares versorgt er eine wachsende Anzahl
von Autoren jeglicher Couleur mit Ideen. Diese dürfen sie exklusiv verarbeiten,
den Ruhm einheimsen und Preise kassieren - mit vertraglich geregelter
Schweigepflicht, versteht sich. Die geniale Geschäftsidee funktioniert lange
Jahre wunderbar, und Petter wird ein wohlhabender Mann. Dann jedoch tauchen
Gerüchte auf über "die Spinne", einen geheimnisvollen Drahtzieher
hinter den Kulissen der internationalen Schriftsteller-Szene. Petter flieht Hals
über Kopf von der Buchmesse in Bologna und ahnt nicht, daß er sich damit auf
noch viel dünneres Eis begibt...
Fazit
Jostein Gaarder verstrickt in "Der Geschichtenerzähler" Phantasie und
Realität so geschickt miteinander, daß man eigentlich dafür ein neues Wort
erfinden müsste. Die überschäumende Phantasie seiner Hauptfigur mag für ihn
selbst ein Fluch sein - für den Leser ist sie das Gegenteil. Eine amüsante und
überaus kurzweilige Lektüre, clever durchdacht und wunderschön geschrieben.
Vorgeschlagen von Annette Rieck
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veröffentlicht am 15. März 2005 2005-03-15 07:18:45