Wieder ein Jahr rum. Wir schreiben jetzt das Jahr 2064 und es gibt viel zu
lernen. Fangen wir an.
Mein Gott, kaum ein Shadowrun-Quellenbuch wurde in den letzten Jahren so heiß
erwartet und über kein Buch wurde so viel diskutiert wie um SOTA64, also konnte
ich es kaum erwarten, mir eine eigene Meinung zu bilden. Und ja, es bietet
Sprengstoff!
Im Gegensatz zu SOTA63 ist das neue Buch wenigstens kein Aufguss alter Bücher,
aber trotzdem muss man eine kritische Augenbraue heben.
Gleich das erste Kapitel, "Das Spiel des Staates" erinnert weniger an
Shadowrun als an einen mittelmäßigen James Bond-Aufguss. Das Kapitel behandelt
Geheimdienste mit allem drum und dran - mit Satellitenbildern, getarnten
Objekten (wie dem Gewehr im Kugelschreiber) und so weiter und so fort - alles
aber ausschließlich verwendbar, wenn man sich für die vorgeschlagene
Spionage-Kampagne entscheidet. Nun ja.
Danach beginnt aber der Kriegspunkt der Shadowrun-Foren: "Der Weg des
Adepten". Und als ich es gelesen hatte, dachte ich nur noch drei Dinge:
"Oh", "mein" und "Gott". Ki-Adepten werden dort in
aller Ausführlichkeit beschrieben, alle möglichen Spezialisierungen werden
aufgeführt (zum Teil wirklich nur noch bizarr zu nennende) und die neuen
Kräfte und gleich seitenweise (!!!!!) neue Metatechniken lassen mir als
Spielleiter die Haare zu Berge stehen. Einfach formuliert: Ki-Adepten werden zu
total übermächtigen Alleskönnern. Das reicht von ineinander verschachtelten
Fokustechniken über Gesichtsverformung bis hin zur Möglichkeit, sich in einen
lebenden Geschützturm zu verwandeln (!!!). Ein paar dieser Techniken werde ich
zwar zulassen, aber der Großteil wird in derselben Schublade wie die
"lila, fliegenden Kühe" verschwinden: Ein Mittel, den Spielern
klarzumachen, dass es so nicht weitergeht.
Danach kann man sich bei "Hinter der Marke" etwas entspannen, denn
dieses Kapitel gibt gute Infos über weltweite Polizeiorganisationen,
Polizeitechniken und über Gefängnisse, sowie genaue Informationen und
Anregungen für eine "Knast-Kampagne", weitaus detaillierter als
"Brennpunkt: ADL", obwohl sich einige Informationen durchaus
doppeln.
Danach ein zweites Déjà-Vu-Erlebnis: ein Kapitel über Magie in Europa gab es
so ähnlich in "BP:ADL" doch auch schon? Wieder doppeln sich einige
Infos, vor allem über Wicca, aber auch Druiden, heidnische Hexer, nordische
Schamanen und andere Magierichtungen werden (aber eher kurz) beschrieben. Dazu
gibt’s einen ganz, ganz genauen Abschnitt über verschiedene Schulen der
Hermetik, der das ganze Buch durchaus aufwertet (super geschrieben und wirklich
interessant!)
Danach kommen wir auch schon zum allbekannten "Kulturschock", die
Alltagswelt der 2060er. Diesmal deutlich größer ausgefallen als im alten SOTA,
gibt dieses Kapitel Bescheid über - nunja, sehr viel. Sei es der neueste Trend,
sich Haustiere genetisch designen zu lassen, sei es Orxploitation mit
Or’zet als Ork-Sprache, sei es eine Sammlung von Top-10-Listen von den
besten Runs bis zu den meistgesuchten Wissenschaftlern. Das Kapitel beschreibt
zu viele Themen, um sie hier aufzuführen, ich kann nur sagen: Es ist super!
Fazit
Nun, was sagt man dazu... SOTA64 ist eine Sammlung von ganz verschiedenen
Kapiteln, von denen ich zumindest die ersten beiden gerne ganz tief im Schrank
einschließen würde, die letzten beiden allerdings am liebsten an meine Wand
hängen würde. Also gebe ich immer noch zweifelnd neutrale 5 Punkte und einen
guten Rat:
Wer auch immer dieses Buch als Spielleiter kauft, lies es zuerst selbst und
überlege GANZ genau, was du daraus frei gibst und was nicht! Und sage nicht,
ich hätte dich nicht gewarnt.
Wir sehen uns dann 2065 wieder.
Vorgeschlagen von Kristian Kühn
[Profil]
veröffentlicht am 20. Februar 2005 2005-02-20 16:48:15