Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach, Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts
legt hier ein interessantes Buch vor, in welchem er mit den Abbau von
Sozialleistungen durch die Regierung schonungslos abrechnet. "Das
Reformspektakel" sei nichts anderes als der Abbau des Sozialstaates, der
alles in allem leistungsfähiger sei als von seinen Kritikern betont werde. Wie
Oswald von Nell Breuning oder
Heiner Geißler rückt er das Thema
"Gerechtigkeit", unter anderem Verteilungsgerechtigkeit, in den
Mittelpunkt seiner Argumentation. Diese gäbe es in der heutigen Gesellschaft
nicht mehr. Reform bedeute zwar Veränderung, jedoch sei mit diesem Begriff
heute euphemistisch die Verschlechterung, nicht die Verbesserung von
Lebensbedingungen verbunden. Zum sozialen Frieden gehöre ein Mindestmaß an
sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit und auch
Verteilungsgerechtigkeit. Die Globalisierung erzwinge keinesfalls - so
Hengsbach, den Abbau sozialer Leistung und die Schuldzuweisung an den
Sozialstaat sei zu einseitig. Es gäbe seit über 30 Jahren einen Feldzug gegen
den Sozialstaat", seitdem die marktradikal wirtschaftsliberalen
Überzeugungen mit dem Amtsantritt der Regierung Kohl die deutsche
Wirtschaftspolitik bestimmten. Ohne die Macht der Vereinigten Staaten hätte
sich die angebotsorientierte, monetaristische Wirtschaftspolitik jedoch
nichtdurchsetzen können.
Hengsbach liefert interessante Thesen, über die sicherlich trefflich gestritten
werden kann. Insbesondere sein Engagement für zivilgesellschaftliches
Engagement ist eindrucksvoll.
Nicht überzeugt hingegen hat mich sein Argument, die Globalisierung erzwinge
keinen Abbau des Sozialstaates. Wenn Hengsbach absgtreitet, dass die
Arbeitslosigkeit in Deutschland durch die Lohnkonkurrenz osteuropäischer
Länder verursacht worden sei (S. 55) so kann ich die Begründung nicht
nachvollziehen. Natürlich locken niedrige Steuersätze - etwa von 19% in der
Slowakei, lediglich Unternehmen, die ihre Investitionsentscheidung einzig am
Steuersatz orientieren (S. 56). Aber sind dies nicht (zu) viele? Natürlich
hängen 80% der deutschen Arbeitsplätze am Mittelstand. Aber gerade die Krise
bei Opel oder Siemens belegt doch, dass die Unternehmen mit der Androhung der
Produktionsverlagerung in Billiglohnländer (vgl. Heft: Globalisierung" der
Bundeszentrale für politische Bildung) durchaus Erfolg haben. Wenn der deutsche
Opel-Arbeiter 33 Euro kostet und der in Osteuropa eben nur 7 Euro so ist dies -
traurigerweise, aber doch wohl zwingend - ein Nachteil für den "Standort
Deutschland." Insofern stimme ich dem Fazit Hengsbachs, Globalisierung sei
ein Zauberwort, welches scheinbar alles erkläre und rechtfertige, als
Trenderklärung aber diffus bleibe, nicht zu. Hier hätte der Autor genauer und
differenzierter argumentieren müssen.
Fazit
Dennoch: insgesamt ein sehr lohnenswertes Buch, welches als Werk, welches gegen
den monetaristischen und wirtschaftspolitischen "Mainstream"
geschrieben ist, wichtig ist. Es ist leicht zu lesen und wer Freude an
provokanten Thesen hat, wird dieses Buch mit Gewinn lesen.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 12. Dezember 2004 2004-12-12 16:46:09