Werner Maser lässt nichts unversucht - und diese Publikation liefert erneut ein
Beispiel hierfür - im Sinne nationalkonservativer Historiker das Hitler-Bild zu
relativieren und diesen als unschuldiges Opfer Stalinscher Verbrechen
darzustellen. Zwar geht Maser nicht so weit wie Irving, den millionenfachen Mord
an den Juden zu leugnen - er konstatiert sogar, dass dieser nur auf Hitlers
persönlichen Befehl erfolgte -, jedoch versucht er, die Schuld der deutschen
Führung am Weltkrieg zu leugnen. Hitler griff Russland an, weil es in sein
expansionistisches Weltbild passte - er wollte die Weltherrschaft und die
Ausrottung der Juden - wie zahlreiche Historiker, u.a. Haffner und Kershaw,
festgestellt haben. Als Hitler England nicht bezwingen konnte (wegen mangelnder
Leistungsfähigkeit der Luftwaffe), setzte er seinen alten Plan zur Umsetzung
des "Lebensraumes" im Osten um - und griff aus diesem Grunde Russland
an. Hier gibt es zwar gewisse Kontinuitäten zu Ludendorffs ostpolitischen
Expansionsplänen aus dem ersten Weltkrieg; die Grausamkeit, mit der die
Vernichtung "lebensunwerten" Volkes betrieben werden sollte und durch
die Judenvernichtung auch wurde, ist jedoch das furchtbar "singuläre"
Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes. Dies ist Standardwissen, welches
alle seriösen Hitler-Biographien belegen - nur Werner Maser versucht immer
wieder, Hitlers Untaten zu verharmlosen. Dieser sei Opfer des machtgierigen
Stalin gewesen.
Nun war Stalin in der Tat misstrauisch und auf Expansion aus - wie seine Politik
nach 1945 zur Genüge bewies - zugleich aber äußerst vorsichtig. Stalin hatte
viel zu viel Respekt vor der deutschen Armee, um einen Krieg zu wagen. Aufgrund
ihm von Heydrich zugespielter - gefälschter - Dokumente vernichtete er in
blutigen Säuberungen 1937 den gesamten sowjetischen Generalstab - mit
Verteidigungsminister Tuchatschewski an der Spitze, von dem Stalin a) einen
bonapartistischen Putsch fürchtete und den er b) als Mitwisser eigenen
Versagens beseitigen wollte. Und da soll Stalin - die Armee war ja gar nicht
aufgebaut, sondern dies geschah erst nach dem deutschen Überfall 1941 hinter
dem Ural (Organisator des militärischen Aufbaus war der spätere
Verteidigungsminister unter Breschnjew, Dimitrij Ustinow), aber eben nicht
vorher.
Stalin wurde in der Tat von Hitlers Angriff überrascht - aber nicht, weil er
diesen angreifen wollte (er wollte natürlich, dass sich die
"kapitalistischen" Mächte zunächst selber durch Kriege schwächten,
bevor er dann als lachender Dritter die Ernte einfahren konnte, da passte ein
offensiver Angriff nicht in das Konzept), sondern weil er - wie glaubhaft etwa
von Markus Wolff, dem früheren DDR-Geheimdienstchef in einem Interview
versichert wurde - es nicht für möglich hielt, dass Hitler so dumm sein
könnte, einen Zweifrontenkrieg zu wagen - dies hatte Hitler ja in seinen
Schriften auch ausgeschlossen.
Auch das "Märchen" vom Putsch der SA 1934 - vielfach widerlegt - wird
erneut von Maser aufgetischt - wie in seinen früheren Publikationen.
Es fällt auf, dass gerade im Olzog-Verlag Schriften erscheinen, die das
Unrechtsregime des Dritten Reiches und dessen Alleinschuld an der Entstehung des
Zweiten Weltkrieges (wie sie Werner Hofer oder Sebastian Haffner oder Ian
Kershaw überzeugend nachgewiesen haben - und deren Schriften und Argumente
Maser - wie immer - nicht zur Kenntnis nimmt) leugnen. Ein Beispiel ist das Buch
etwa das Buch von Schulze-Ronhoff: 1939: Der Krieg, der viele Väter hatte aus
dem gleichen Verlag.
Nein: historische Wahrheit ist: Hitler wollte aus verbrecherischem Wahn heraus
diesen Weltkrieg - er war verblendet und größenwahnsinnig - im Gegensatz zu
Stalin, über den man sehr wenig in der Biographie von Maser erfährt. Nein,
Maser tischt die von V. Suworow (Eisbrecher)behauptete Legende von den
russischen Präventivabsichten 1941 wieder auf. Dies ist falsch. Im Gegenteil:
Stalin war völlig sorglos - er ignorierte auch Warnungen von Richard Sorge, dem
russischen Meisterspion, vor einem bevorstehenden Angriff der Nazis. Er wollte
sich heraushalten, da das Land nach den blutigen Säuberungen für einen Krieg
nicht gerüstet war.
Masers Buchveröffentlichung belegt, dass es einen - leider wachsenden - Trend
von Historikern gibt, die Hitlers Schuld relativieren wollen. So wird etwa die
Schuld an den Bombenangriffe auf Deutschland alleine bei Churchill und den
Engländern gesehen - so argumentiert auch Jürgen Friedrich in: "Der
Brand". Aber: Wer hatte den England angegriffen? Dies war doch Hitler!
Also: ein nicht nur unkritisches, sondern meines Erachtens auch gefährliches,
weil einseitig berichtendes Buch. Soll hier eine Tendenz - die bereits in dem
Kinofilm: "Der Untergang" anklingt -verstärkt werden, die Hitler und
die Nazis als "unschuldige Märtyrer" sehen? Diese Tendenz schimmert
leider zwischen den Zeilen durch - wie auch seriöse Rezensenten festgestellt
haben. Leider ist eine Vergabe von Null Punkten technisch nicht möglich.
Fazit
Ich warne vor der Anschaffung dieses Titels.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 01. Dezember 2004 2004-12-01 20:26:37