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Helmut Schmidt: Die Mächte der Zukunft

Die Mächte der Zukunft

von Helmut Schmidt
Verlag: Siedler Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Politik
ISBN-13 978-3-88680-817-5

Preis: 2,44 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. November 2024]
Helmut Schmidt hat mit seinem Buch: "Die Mächte der Zukunft" meines Erachtens ein wegweisendes Buch geschrieben, in dem er an die Thesen seines im Jahre 2000 erschienenen Werkes: "Die Selbstbehauptung Europas" anknüpft. Wie in diesem Buch und in seinem Werk: "Globalisierung" aus dem Jahre 1999 analysiert Schmidt scharf und treffend die gegenwärtigen Weltprobleme, wobei er die Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungsländern als wichtigste globale Gefährdung betrachtet. Daneben skizziert Schmidt die Folgen der technologischen und ökonomischen Globalisierung, analysiert die Anfälligkeit der internaionalen Finanzmärkte und sieht als weitere Gefahr die Auswirkung des internationalen Waffenhandels. Während in: "Die Selbstbehauptung Europas" das Schicksal Europas im Mittelpunkt von Schmidts Betrachtungen stand, hat sich der Fokus der Betrachtung aufgrund der Anschläge vom 11. September 2001 eindeutig in Richtung USA verschoben. Seit dem Wegfall der sowjetischen Bedrohung habe die militärische und ökonomische Macht der USA dem Land ein sehr hohes Maß an Unabhängigkeit des außenpolitischen Handels gegeben. Kein anderer Staat verfüge heute und in den nächsten Jahrzehnten über ein ähnlich hohes Maß an weltweiter Handlungsfreiheit. Gleichwohl sei diese Handlungsfreiheit keineswegs unbegrenzt, hierzu existieren - und Schmidt zeigt dies in erschreckender Deutlichkeit auf - zu viele Krisenherde auf der Welt. Amerika werde nach der unilateralistischen Politik von US-Präsident George W. Bush jr. erkennen, dass es - zwar ungewollt, aber allzu leichtfertig - die Mehrheit der islamischen Gläubigen und die weltweite öffentliche Meinung gegen sich aufgebracht habe. Wie weit Amerika zu einer primär mulilateral ausgerichteten Außenpolitik zurückkehre, bleibe jedoch einstweilen offen (S. 107). Vollkommen korrekt bilanziert. Wichtig sei, dass sich die USA offen zu seinen Interessen bekenne: Aufrechterhaltung der kontinuierlichen Ölversorgung, Sicherheit Israels, Vermeidung nuklearerer Aufrüstung anderer Staaten und Proliferaton der Atomenergie. Doch auch gegenüber den anderen Weltmächten, Rußland, China, Indien, Europa müsse die USA klare Strategien entwickeln. Diese seinen unklar bzw. ambivalent.
Welches sind nach Schmidt die weiteren "Mächte der Zukunft?" Einmal sicherlich China und der ferne Osten. China besitze starke wirtschaftliche Vitalität, wie eine Serie des "Spiegel" über China eindeutig bestätigt. Schmidts Feststellung, ob die Sorge vor künftiger militärischer Macht und Machtmißbrauch durch das nuklear bewaffnete China berechtigt sei, verneint Schmidt aus Überzeugung (S. 140). Dies mag für die derzeitige pragmatische Führung in Peking gelten. Ob dies aber für alle Zukunft so bleiben muss, daran scheinen mir Zweifel angebracht zu sein. Allerdings schildert Schmidt sehr eindrucksvoll die politischen, wirtschaftlichen, historischen und kulturellen Entwicklungen Chinas, Indiens und des Fernen Ostens. Wichtigste Übereinstimmung mit den anderen Weltmächten bestehe darin, dass auch China eine Verhinderung der weiteren Verbreitung nuklearer und anderer Massenvernichtungswaffen anstrebe.

Denn hier liegen laut Schmidt die Gefahren der Zukunft: Nuklearwaffen im Besitz von Schwellenländern, terroristische Anschläge auf Metropolen im Zuge der "neuen Kriege" (Herfried Münkler) seien wichtige Probleme, deren Lösung offen bleibe, wie er am Ende (S. 225) bilanziert. Nur die anhaltende Schlüsselstellung der Vereinigten Staaten und Chinas könne als gesichert gelten. Für die Welt werde von entscheidender Bedeutung sein, ob sich die USA in Zukunft den Regeln des Völkerrechtes unterwerfen würden (hierzu gibt es ein neues interessantes Heft: "Aus Politik und Zeitgeschichte B 43/2004)", welches sich wie Schmidt mit diesen Fragen ausführlich beschäftigt.). Außerdem werde China im 21. Jahrhundert mit Sicherheit eine Bedeutung erlangen, die derjenigen der USA gleichkäme. Auch der Westen könne von China lernen. Deutschland solle sich am weiteren Ausbau des Völkerrechtes beteiligen, am Ausbau der Institutionen der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates. Ein ständiger deutscher Sitz im Sicherheitsrat sei allerdings dafür nicht nötig. Das wichtigste außenpolitische Interesse Deutschlands liege heute in der Überwindung der Krise der auf 25 Mitgliedsstaaten erweiterten Europäischen Union. Jeder Fortschritt in der europäischen Integration bedürfe der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Deutschland und Frankreich. Auch wenn die Europäer in ihrer Integraton erfolgreich wären, würde die Europäische Union gleichwohl nicht mit den USA konkurrieren können. Dies solle auch kein europäischer Politiker in unnützer Weise versuchen.

Insgesamt eine interessante Analyse mit Schwerpunkt auf den USA. Sie erscheint mir manchmal nicht rational-realistisch, wie Schmidt sein Weltbild darstellt, sondern aus heutiger Sicht, bei der unipolaren Politik von George W. Bush, äußert optimistisch. Man wird sehen, inwieweit die Prognosen Schmidts zutreffen werden. Das Buch ist jedoch - wie sein Vorgänger: "Die Selbstbehauptung Europas" von einer analytischen Klarheit und Denkschärfe, die dennoch die "großen Linien" erkennbar macht. Schmidt schreibt sehr lesbar und ist ein Meister der Rhetorik, was manche Schwächen in seiner Argumentation verbirgt.
Fazit
Insgesamt für mich eine der wichtigsten, ja eigentlich die wichtigste politische Neuerscheinung eines deutschen Politikers im Jahre 2004. Unbedingt lesenswert.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 20. Oktober 2004

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