Auch wenn er zu einer laut Jochen Till aussterbenden Sorte Mensch gehört,
"Der letzte Romantiker" lebt noch. Hierbei handelt es sich um Rocket,
der es seinem Bruder Koller zu verdanken hat, dass er seine romantische Ader
auch mal ausleben darf. Aber vielleicht fange ich besser von vorne an...
"Mein Bruder fickt gerne herum. Ich würde das nicht sagen, wenn es nicht
stimmen würde. (...) Ich ficke nicht. Ich ficke nicht. Das ist
keine reine sprachliche Angelegenheit; das wäre zu einfach. Ich habe noch nie
gefickt. Ich könnte auch nie ficken. Ich liebe. Das ist etwas völlig
anderes." Man merkt direkt: Einen größeren Unterschied zwischen dem
Romantiker Rocket und seinem Bruder gibt es nicht. Viel deutlicher wird dies
noch im weiteren Verlauf des ersten Kapitels. Koller ruft wie gewöhnlich mitten
in der Nacht seinen Bruder Rocket an, damit er ihn von seinen... abendlichen
Aktionen abholt. Doch dieses Mal liegt die Sache leicht anders: Koller steht
nicht nackt vor der Haustür seiner Bettgefährtin, nein, er ist auch nicht
angezogen in ihrer Wohnung zu finden. Er liegt noch in ihrem Bett und sie sitzt
noch auf ihm. Koller hat mit dieser Freundin nämlich ein viel größeres
Problem als mit den vorherigen: Er wird für immer ihr letzter Freund sein.
Während des Geschlechtsaktes ist Natalja gestorben und Koller spürt schon die
Rache ihres Vaters, seines Arbeitgebers (so man einen russischen Mafiaboss so
betiteln kann), genannt Büffel, auf ihn zukommen. Koller und Rocket bleibt so
nichts anderes übrig, als zu fliehen. Dass ihnen dabei aber Nataljas
Mitbewohnerin Cassidy, die dem schüchternen Rocket auf den ersten Blick
gefällt, in die Quere kommt, war noch weniger geplant, also wird sie kurzerhand
mitgeschleppt.
Rasant setzt sich die Geschichte fort: Der Büffel ist, wie Koller schon
vorsichtig vermutete, nicht besonders erfreut über den Tod seines Engelchens
und macht sich mit seinem Gefolge auf die Suche nach Koller. Dieser ist nach
Absprache mit seiner Mutter in Richtung seines Onkels Otto abgereist, also
folgen Büffel, seine "Mitarbeiter" und die Geisel, Kollers Mutter,
ihnen. Noch mehr Quere kommt dazwischen: Das Fernsehteam um den skrupellosen
Franz Fischkopp, das eine Reportage über Autofahrer drehen will, die das
Abschließen der Türen an der Tanke vergessen. Dass sie zuerst an Koller und
seine zwei Beifahrer geraten (Koller schießt hierbei mit seiner Lieblingsknarre
Lemmy dem Lockvogel ins Bein - einmal absichtlich und ein zweites Mal im Kampf
mit seinem Bruder um Lemmy) und dann die Bekanntschaft mit Büffel und Kameraden
machen (diese nehmen den neuen Lockvogel als Geisel), ist nicht gerade Glück.
Und dass Kollers Mutter bei den perversen Sexspielchen ihres Bruders Otto mit
den auf seinem Hof lebenden Tieren einfällt, woher sie den Büffel kennt, ist
noch tragischer...
Fazit
Rasant. Spannend. Schräg. Lustig. Diese vier Wörter müssen reichen, um Jochen
Tills ersten Roman für junggebliebene Erwachsene zu charakterisieren. 10 Sterne
für ein Meisterwerk!
Vorgeschlagen von Nico Haase
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veröffentlicht am 12. Oktober 2004 2004-10-12 21:43:53